27.09.2022
BORBECK. Ja, es gibt eine Zukunft für Schloss Borbeck. So lautet die Kurzversion einer ersten Bilanz des Informationsabends, der sich am Montag, 26. September, mit dem Stand der Dinge rund um das historische Ensemble des Kulturzentrums auseinandersetzte. Rund 50 sehr interessierte Vertreter aller möglichen Gruppen, von Vereinen und politischen Parteien machten in der rund zweistündigen Debatte hren Fragen Luft, moderiert von Susanne Asche, die für den Borbecker Bürger- und Verkehrsverein e.V. (BBVV) und den Förderverein Schloß Borbeck e.V. im Podium gleich drei Vertreter der Stadtverwaltung begrüßte.
Den engagierten Auftakt machte Dr. Ecevit Agu, Leiter der Immobilienwirtschaft Essen: Er erinnerte an die Baumaßnahmen vom Ende der 1990er Jahre und der Jahre 2002-2005, an die zuletzt abgeschlossenen millionenschweren Ausgaben für das Wirtschaftsgebäude und skizzierte die jüngsten Untersuchungen: Im März beauftragt, liegen die Bauaufnahmen für das Schloss nun vor und zeichnen ein offensichtlich eindeutiges Bild. Danach waren im Anschluss an den Auszug der Gastronomie vor allem gravierende Schäden durch Feuchtigkeit festzustellen. Sie steige nicht nur aus den von Eichenpfählen gestützten Fundamenten nach oben, sondern rühre auch vom schiefergedeckten Dach her, betonte Agu.
Klarer Handlungsbedarf bestehe aber auch in der Installation der gesamten Technik im Erdgeschoss, im Blick auf die zunehmend bemooste Fassade und ihren Anstrich, den Zugang zur Gastronomie, die Terrasse, den Schallschutz und Fußbodenbeläge. Damit verbunden, stehe auch das Gebäudeumfeld im Fokus: Die Böschungen von Teich und Gräfte um das Schloss seien zu befestigen, die Gewässer zu entschlammen, zugleich der Vorplatz neu zu gestalten. Die Kosten: 13,5 Millionen – so die derzeitige „Hausnummer“ – „mit kleinem Puffer“, erklärte Dr. Agu. Gewerke in dieser Höhe seien nach einer Entwurfsplanung europaweit auszuschreiben, die Umsetzung der Baumaßnahmen sei für das Jahr 2024/25 angepeilt. Es sei ein ambitioniertes Projekt zwischen den Anforderungen des Denkmalschutzes, den Nutzungsoptionen und vor allem der finanziellen Lage der Stadt: Die Ressourcen seien mit Blick auf die zahlreichen anderen Projekte wie Schulen und andere Einrichtungen beschränkt.
Dass frühere Renovierungsarbeiten möglicherweise nicht sehr günstigen Einfluss auf den Bauzustand hatten, machten die zahlreichen Nachfragen deutlich. Jetzt werde auf natürliche Entlüftungen im Mauerwerk geachtet, hier sei man heute technisch weiter, so Ecevit Agu. Im Übrigen werde man hinsichtlich der „Lebenszykluskosten“ und Betriebskosten von Gebäuden intensiver auf den Aspekt der Nachhaltigkeit setzen. Das gelte etwa auch für die bislang nicht vorhandene Dämmung, die dem Dach verpasst werde – nicht zuletzt in energetischer Hinsicht und in diesen Zeiten ein Muss. Ob, wie angeregt, auch Solarzellen einsetzbar seien, müsse allerdings erst geprüft werden. Interner Schallschutz für die akustische Entkoppelung verschiedener Nutzungsbereiche sei vorgesehen, weitere Schallschutzmaßnahmen für die Umgebung aber nicht, erklärte Agu auf die Nachfrage von Anwohnern. Für den zu erwartenden Bauverkehr werde man zum gegebenen Zeitpunkt eine Lösung finden, eine Verstärkung im Bodenbereich des gerade erst wieder restaurierten Schlosstores für den Lieferverkehr aber sei derzeit nicht geplant.
Gleich mehrere Nachfragen gab es naturgemäß zu den Möglichkeiten der ganz praktischen Nutzung des Gebäudes in der kommenden Zeit: Für die 1. und 2. Etage seien nur geringere Eingriffe nötig – hier sehe man einen „sehr guten Zustand“, so Dr. Agu. Dauerausstellung und Kursbetrieb seien damit weiterhin gesichert, während des Baufortschritts werde darauf Rücksicht genommen. Auch eine Interimsnutzung für den Saal sei bis zum Beginn der Baumaßnahmen im Prinzip möglich. Sobald der Plan stehe, werde man sicher auch auf eventuelle potenzielle Pächter zugehen.
Spätestens hier waren die Vertreter der Kulturressorts in der Debatte gefragt: Denn erst die schlüssige Antwort auf die ganz praktische Nutzung, so Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain, gebe den baulichen Überlegungen erst den Rahmen vor. Natürlich müsse im Kostenwettbewerb aller Herausforderungen in der Stadt selbst Augenmaß bewahrt werden. Doch in jedem Fall stelle sich vor allem zunächst auch grundsätzlich die Frage nach dem Konzept: „Stimmt das alles noch so, wie es bisher gelaufen ist?“, meinte Al Ghusain. Denn ein „Hochzeitsschloss mit 600 Trauungen pro Jahr und angeschlossener Gastronomie“ sei einfach schwer mit kultureller Nutzung in Einklang zu bringen. Das Schloss selbst mit Gastronomie, Saalnutzung, Ausstellung, mit Folkwang-Musikschule und Kursbetrieb, das inzwischen herausragend renovierte Wirtschaftsgebäude mit Galerie und Theatersaal, aber auch mit der Arena und dem gesamten Schlosspark seien als Ensemble in ihrer Gesamtheit „einfach sensationell“: Dass immer wieder echte Weltstars im Schloss zu Gast seien, so Al Ghusain, müsse mit Selbstbewusstsein bekanntgemacht, vermarktet und überregional beworben werden.
Auch Anja Herzberg, seit diesem Jahr neue Leiterin des Kulturamts Essen, ließ daran keinen Zweifel: „Wir haben ein großes Interesse daran, das Ensemble und sein Profil für die Zukunft zu stärken“, erklärte sie. An einer besseren Präsentation des Schlosses auf den Internetseiten der Stadt werde gearbeitet, versicherte sie auf Nachfrage. Jetzt gehe es um „eine Gesamtkonzeption mit Perspektiven“. Das Wirtschaftsgebäude sei bereits auf hervorragendem Stand und die inhaltlichen Programmplanungen für 2023 liefen. „Wir wollen den Standort weiterentwickeln und das Kulturelle Zentrum Schloß Borbeck stärken.“ Auch an eine personelle Aufstockung für den Kulturbereich im Schloss sei zu denken, ließen Al Ghusain und Herzberg durchblicken.
Ob es bei den Kosten und der geplanten Bauzeit bleiben werde? Er habe keine Glaskugel, erklärte Dr. Agu, man sei „in einem Prozess“. Weitere Aufschlüsse sei erst von den Fachplanungen zu erwarten: „Aber es ist auf jeden Fall ein sportliches Programm.“ Der nächste Planungsabschnitt sei bis zum Ende des 1. Quartals 2023 vorgegeben. Damit auch für das, was noch in die konzeptionelle Planung eingebracht werden kann - und soll: Denn für das, was nun entstehen wird, seien alle Akteure gefragt, machten Al Ghusain und Herzberg deutlich. Neben der Zusammenarbeit der Ämter sind jetzt auch die derzeitigen Einrichtungen, Nutzer, Gruppen und Vereine gebeten, ihre Anforderungen und Anregungen zu benennen. Sie sollen gebündelt und in die Planungen eingebracht werden. „Spätestens nach den Herbstferien müssen wir da alle ran“, meinte Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig. „Wir stehen als Veranstalter des heutigen Abends auch dafür gerne wieder zur Verfügung“, unterstrich Susanne Asche. Eine Einladung wird kommen.
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