12.04.2025
BORBECK. Mit einem offiziellen Festakt wurde am Dienstagabend, 8. April, auf Schloß Borbeck ein neuer „FrauenOrt NRW“ gewürdigt. Am selben Tag jährte sich zum 199. Mal der Todestag von Maria Kunigunde von Sachsen (1740-1826), der letzten Essener Fürstäbtissin. Mit ihr hatte sich Schloß Borbeck beim FrauenRat NRW beworben, um als einer von landesweit 50 FrauenOrten eine herausragende Frauenpersönlichkeiten zu ehren.
Der Festakt begann um 18.30 Uhr mit der Enthüllung einer Tafel, die Schloß Borbeck künftig als FrauenOrt NRW sichtbar machen soll. Oberbürgermeister Thomas Kufen hatte die Festrede im Residenzsaal übernommen. „Es ist längst überfällig, wichtige historische Frauen aus den Fußnoten unserer Geschichtsschreibung zu entfernen und in den Fokus zu rücken“, so Kufen. „Denn eins ist klar: Die Geschichte unserer Stadt und unseres Landes kann nicht ohne Frauen erzählt werden! Ich danke allen, die sich für das Projekt FrauenOrte NRW einsetzen.“ Er selbst, verriet er, sei stolz auf ein großformatiges Porträt von Maria Kunigunde Dorothea Hedwig Franziska Xaveria Florentina von Sachsen, das in seinem Dienstzimmer hängt.
Oberbürgermeister Thomas Kufen und Anja Herzberg, Leiterin des Kulturamts Essen, bei der feierlichen Eröffnung von Schloß Borbeck als FrauenOrt NRW. © Nils Stakemeier
Grußworte sprachen Muchtar Al Ghusain, Geschäftsbereichsvorstand 4 Jugend, Bildung und Kultur; Birgit Wehrhöfer, Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen und Prof. Dr. Petia Genkova, stellvertretende Vorsitzende FrauenRat NRW.
Die Gestaltung des musikalischen Rahmenprogramms hatten Susanna Borsch, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen und Kerstin de Witt vom Quartett „Flautando Köln“ übernommen. Sie präsentierten meisterhaft u.a. perlende Partien aus einer Sonate F-Dur von Anna Amalia von Preußen (1723-1787), die sich wunderbar in Ambiente und Zeit einfügten. Im Anschluss gab es im Nebengebäude die Gelegenheit zum Besuch der Ausstellung „fragil?“ der fünf aus dem Ruhrgebiet stammenden Künstlerinnen Heidi Becker, Karin Christoph, Liane Lonken, Annette Schnitzler und Daniela Werth.
Die letzte Fürstäbtissin der freiweltlichen Reichsstifte Essen und Thorn war Prinzessin von Polen, Litauen und Sachsen aus dem Hause der albertinischen Wettiner, Stiftsdame im Stift Münsterbilsen bei Maastricht/Hasselt in der Provinz Limburg und letzte Fürstäbtissin in Essen. Maria Kunigunde (* 10. November 1740 in Warschau, † 8. April 1826 in Dresden) führte das Essener Frauenstift von 1776 bis zur Säkularisation im Jahr 1803 mit viel politischem und diplomatischem Geschick. Sie war ursprünglich Ehekandidatin für den späteren Kaiser Joseph II. (1741-1790) gewesen, zeigte jedoch an einer Ehe offensichtlich kein Interesse und wurde nach dem Scheitern der Eheanbahnung mit einer standesgemäßen Aufgabe „entschädigt“.
Neben ihren Aufgaben im Stift beteiligte sich die Fürstin mit einigem Geschäftssinn an der Grundlegung der späteren Schwerindustrie in der Region: So stieg sie als private Investorin bei der Verhüttung von Eisen ein, ab 1787 an der Hütte „Gute Hoffnung“, 1791 an der Eisenhütte „Neu-Essen“ und kaufte 1796 die Hütte „St. Antony“. Ihre Hüttenanteile verkaufte sie 1805 für 23.800 Reichstaler an die Brüder Haniel - sie erwarben die Hütte „Gute Hoffnung“, aus der die spätere Gutehoffnungshütte hervorging.
Während ihrer 27-jährigen Amtszeit setzte sie zahlreiche Reformen durch. Auch plante sie den Neubau von Schloss Borbeck und ließ den Park in einen englisch-chinesischen Landschaftspark umgestalten. Ihre Leistungen sind noch heute in verschiedenen architektonischen und kunsthistorischen Zeugnissen der Stadt sichtbar. Mit der Säkularisation und der preußischen Besetzung am 3. August 1802 verlor sie ihre politisch-weltlichen Befugnisse, blieb aber im Besitz ihrer geistlichen Hoheitsrechte. Verträge mit dem Königreich Preußen sicherten ihr bis zum Lebensende die Überschüsse aus der Abtei. Maria Kunigunde starb am 8. April 1826 in Dresden und wurde dort in der Neuen Gruft der Katholischen Hofkirche beigesetzt.
Neben Fürstäbtissin Kunigunde von Sachsen wurden bereits drei weitere Essener Frauenpersönlichkeit mit einem FrauenOrt NRW geehrt: Der Essener Dom ist FrauenOrt der Äbtissin Mathilde, die Alte Synagoge Essen ist der Pädagogin Dore Jacobs gewidmet und FrauenOrt der Mathematikerin und Pädagogin Nelli Neumann ist das Haus der Essener Geschichte. Damit gehört nun auch Schloss Borbeck zu insgesamt 52 vom FrauenRat NRW für ihre historischen Frauenpersönlichkeiten ausgezeichneten Orten. Träger des Projekts FrauenOrte NRW ist der FrauenRat NRW e.V., gefördert durch das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen. Schirmpatin ist NRW-Gleichstellungsministerin Josefine Paul. Der 1970 gegründete unabhängige, überparteiliche und überkonfessionelle Zusammenschluss aus heute rund 50 Frauenverbänden und -gruppen ehrt historische Frauenpersönlichkeiten, die in NRW gewirkt und gelebt haben, um ihren Beitrag zur Geschichtsschreibung des Landes sichtbar(er) zu machen.
CB
Mehr auf der Webseite FrauenOrte: www.frauenorte-nrw.de, zu Schloss Borbeck: https://schloss-borbeck.essen.de
Artikel:
C. Beckmann: Maria Kunigunde von Sachsen. Letzte Fürstäbtissin 1776-1802