Gesundheit! 40 Jahre Maienmahlzeit in der Dampfe

BBVV lud zum Talk über Medizin für heute und morgen

23.05.2024

BORBECK. Volles Haus am Mittwochabend in der Dampfbierbrauerei: Der Borbecker Bürger- und Verkehrsverein (BBVV) lud zur traditionellen Maienmahlzeit. Sie erfreut sich offensichtlich bester Gesundheit: Vor 40 Jahren wurde sie ins Leben gerufen, sah viele prominente Festgäste und stellte sich oft hochaktuellen Themen. So auch in diesem Jahr, als die BBVV-Vorsitzende Susanne Asche im Dampfe-Festsaal über 100 Besucher - unter ihnen Gäste aus Bezirks-, Stadt- und Bundespolitik - begrüßte: Denn die regionale Gesundheitsversorgung und die Medizin von morgen standen im Fokus. Eingeladen dazu waren am 22. Mai 2024 Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen, und Stadtdirektor und Gesundheitsdezernent Peter Renzel.

„Gigantischer Fortschritt der Medizin“

Die anhaltenden Debatten um Gesundheitskosten, den Umbau der Krankenhauslandschaft oder die Situation bei den Hausärzten sind allgegenwärtig. Dass viele Bürger bei diesem Thema eher Sorgenfalten auflegen und viele Manöver rund um den Umbau der Gesundheitsversorgung eher Ängste auslösen – für Professor Werner ist das nur zu verständlich. Unsicherheiten machten sich breit, erklärte der langjährige HNO-Arzt, doch setzte eigene Erfahrungen aus rund vier Jahrzehnten dagegen: Denn die ganze Medizin habe nicht nur einen großen Wandel, sondern zugleich auch einen gigantischen Fortschritt erlebt.

Dies machte der Krankenhausmanager an zahlreichen zugespitzten Beispielen zu Diagnosen und Therapien, Früherkennung, Bildgebungsverfahren und Digitalisierung bis zur elektronischen Patientenakte deutlich: Alles dränge auf ein „Smart Hospital“, aber auch ein „Human Hospital“, so seine Vision für die nächsten beiden Jahrzehnte – im Ergebnis und im besten Fall eine deutliche Entlastung der Mitarbeiter im Gesundheitsbereich, nicht zuletzt aber auch der Patienten und ihrer Angehörigen. Mehr Transparenz erhöhe die Patientensicherheit, mehr Daten und Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ermöglichten eine bessere und sichere Medizin: „Maschinen werden es einst besser machen“, unterstrich Werner, sie sollten den Arzt und die Pflege „nicht überflüssig machen, sondern helfen“. Diese Entwicklung werde „unfassbar schnell sein“ und ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Im Blick auf den Personalmangel gelte es jetzt nachdrücklich, die Attraktivität, Arbeitsbedingungen und Zusammenarbeit medizinischer und Pflegeberufe auf allen Ebenen nachhaltig zu erhöhen. Denn zuletzt zähle der Mensch – nicht zuletzt der Patient: „Menschlichkeit und Wertschätzung bleiben das Wesentliche“, so Werner.

Seitenhieb auf die Bundespolitik

Stadtdirektor Peter Renzel nahm den Ball in der von BBVV-Geschäftsführer Jan Flügel moderierten Gesprächsrunde auf: Eine stärkere Vernetzung in allen Gesundheitsbereichen sei entscheidend, im Sinne optimaler Rahmenbedingungen für alle Bürger gehörten alle Akteure an einen Tisch. Die Stadt sei „GesundVernetzt“ und Teil „einer der Regionen mit der besten Gesundheitsversorgung in ganz Europa“, stellte Renzel klar. Nicht ohne Seitenhieb auf die Bundespolitik: Denn vieles der derzeitigen Verunsicherung rühre nicht zuletzt daher, dass offensichtlich in Berlin „über Nacht“ neue Gesetze ausgedacht, angekündigt, dann aber anders oder gar nicht umgesetzt würden. Er empfahl dagegen einen klaren Blick auf die Wirklichkeit, auf die echte Situation am Ort und eine von der lokalen Politik moderierte Gesprächskultur unter allen Beteiligten im Gesundheitsbereich: „Hier sind wir in Essen sehr gut zusammen – auch wenn oft etwas anderes in der Zeitung steht“ - gelegentlicher Streit und Auseinandersetzungen setzten immer auch neue Energien frei. Und egal, was auch immer in Bundesministerien diskutiert werde - mit Blick auf das Thema der deutschlandweit ersten „Gesundheitskioske“ an alten Klinikstandorten setze man in der bestehenden Lage auf passende eigene Lösungen - das ganz neue Gesundheitszentrum St. Vinzenz sei einmalig in NRW. Dass vor allem Kinder und Jugendliche in der Stadt gesund aufwachsen sollen, sei ganz aktuelles Thema der Gesundheitspolitik in der Stadt: Schuleingangsuntersuchungen bestätigten, dass hier ein hoher Bedarf sei, ein Kindergesundheitszentrum in Altenessen steht 2025 auf der Agenda. Auch eine stärkere Vernetzung die Notfallversorgung stehe weiter auf der Tagesordnung.

„Der richtige Patient gehört schlicht ins richtige Bett“, betonte Professor Werner und prognostizierte, dass auch im eigenen Haus in den nächsten Jahren zahlreiche Betten in der stationären Versorgung wegfielen. Doch auch 2035 werde man insgesamt in Essen gut versorgt sein, so der ärztliche Uni-Klinik-Direktor. Massiv gestärkt werden müssten jetzt die ambulante Versorgung, der Ausbau der Telemedizin, aber ebenso die Vorbereitung in Ausbildung und Studium für die Arbeit in Arztpraxen. Sie bleibe der wesentliche Bestandteil der wohnortnahen Gesundheitsversorgung, unterstrich auch Stadtdirektor Renzel. Dass immer mehr Ärzte ins Angestelltenverhältnis wechselten und viele Praxen verkauft würden, mache ihm allerdings Sorge. Viel Neues komme, Personal sei gefragt, der demografische Wandel in einer älter werdenden Gesellschaft längst massiv sichtbar. Gleichwohl: Auch in Zukunft werde man in Essen eine medizinische Spitzenversorgung haben, erklärte Peter Renzel. Es gelte die Probleme zu erkennen, nicht klein zu reden, konstruktiv an ihre Lösung zu gehen. Zugleich kündigte er an, dass sich eine solche endlich auch im Philippusstift abzeichne: „Es wird gebaut“.

Auszeichnung „Hand in Hand“ für Hospizdienst

Dass der Bürger- und Verkehrsverein gerade in Borbeck an diesem komplexen Thema weiter dranbleiben wird, ist abzusehen. Schon in den vergangenen Jahren hatte er gerade dieses immer wieder auf der Tagesordnung. Den von einem Dampfe-Menü verwöhnten Maienmahlzeit-Gästen wurde es am Mittwochabend leicht gemacht: Denn in diesem Jahr steuerte das Mädchengymnasium Borbeck (MGB) unter Leitung von Stefan Goralski ein fantastisches Musikprogramm bei. Oberstufenchor und Solistinnen zeigten auf der Bühne viel junge Lebensfreude – „eine Schule, auf die wir in Borbeck stolz sein können“, so die BBVV-Vorsitzende Susanne Asche. Sie überreichte mit Stadtdirektor Peter Renzel die diesjährige Auszeichnung „Hand in Hand“ für das Für- und Miteinander im Stadtteil einer besonderen Initiative: Der längst verdienstvolle „Ambulante Hospizdienst Cosmas & Damian“ und sein Förderverein, vor 30 Jahren ins Leben gerufen, ist mit derzeit rund 70 ehrenamtlichen Hospizhelfern im Stadtteil engagiert. Dass er jetzt vor einem wichtigen Hospiz-Bauprojekt in Gerschede stehe, sei „ein zarter Hinweis darauf, die Hospizarbeit auch in diesem Sinne durchaus ganz praktisch zu würdigen“, regte Jan Flügel an. Für Peter Renzel, der bereits zum offiziellen 30-Jährigen des Hospizdienstes sprach, bleibt diese erste innerstädtische Initiative zur Begleitung des Lebens bis zum Sterben „ein Leuchtturm für ehrenamtliches Engagement“, erklärte er zur Preisverleihung unter großem Applaus. „Wir können nur sehr dafür dankbar sein, dass es sie gibt.“

Dass es 2024 noch einen zweiten, außerordentlichen „Hand in Hand“-Preis gab, ließ bereits darauf schließen, dass es um eine außergewöhnliche Ehrung ging. Mit einem herzlichen Dank für seine über 40-jährige Arbeit als BBVV-Geschäftsführer wurde Franz Josef Gründges ausgezeichnet. Das aus Anlass seines 80. Geburtstages verliehene Zeichen der Wertschätzung erinnere daran, dass er das mit 38 Jahren übernommene Amt als Anreger und Motor der BBVV-Arbeit mit außergewöhnlichem großem Einsatz gefüllt habe, freute sich Susanne Asche mit dem Vorstand. Der regelmäßige Autor für das borbeck.de-Lexikon, dem er weit über 300 Artikel beisteuerte, bleibe Borbeck aus auch Hanau weiter treu verbunden, erklärte er selbst vor dem großen Auditorium der Maienmahlzeit, die mit ihm entstand und die er so lange moderierte. „Das ist eben Borbeck.“ Und das traditionelle Steigerlied schloss einen sehr gefüllten Abend.

CB

Fotos: Christof Beckmann und Walter Frosch

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