30.08.2021
ESSEN / WERDEN. Am Samstag wurde sie eröffnet und zeigt Frauen, die Spuren bis heute hinterlassen haben: Die gemeinsame Ausstellung „MUTIG | HEILIG | SELBSTBEWUSST“ präsentiert Vorbilder und Identifikationsfiguren der Essener Stiftsdamen und der Benediktinermönche in Werden. Bis zum 8. Dezember zeigen die Essener Domschatzkammer und die Schatzkammer der Ludgerus-Basilika in ihren Dauerausstellungen mit vielen Objekten und neuen Schautafeln, welche Bedeutung heilige Frauen im Mittelalter hatten – und wie sie zum Teil bis heute wirken.
„Wir haben nach den Vorbildern unserer Stiftsfrauen gesucht“, beschreibt Domschatz-Leiterin Andrea Wegener die Initialzündung für die Sonderausstellung. „An wem haben sich die Frauen orientiert, die hier in Essen Frauen der Kirche waren, aber auch eine unglaublich große weltliche Macht hatten?“ Klar, dass da Maria, die Gottesmutter und Patronin des Essener Stifts, als erstes genannt wird. Sie taucht im Domschatz aber nicht nur als die bekannte Goldene Madonna auf, die Maria als Mutter mit Jesuskind zeigt, sondern in ganz verschiedenen Lebensphasen. „Wir haben Darstellungen von ihr als junges Mädchen, als Mutter, die Jesus sein Leben lang begleitet hat – und als Himmelskönigin“, sagt Domschatz-Mitarbeiterin Katharina Hülscher. „Diese Vielfalt hat sie zu einer wichtigen Identifikationsfigur gemacht – sowohl für die Stiftsdamen als auch für die normale Stadtbevölkerung.“ „Und wenn ich die vielen Kerzen sehe, die täglich vor der Goldenen Madonna entzündet werden, ist sie es offenbar für viele Menschen bis heute“, ergänzt Wegener.
Aber die Ausstellung beleuchtet auch weniger bekannte, oft längst vergessene heilige Frauen: Pinnosa zum Beispiel, deren Bild mit dem der Heiligen Walburga das kostbare Theophanu-Evangeliar im Untergeschoss des Domschatzes ziert. Hinter der Vitrine stehen zwei große Texttafeln, die die Geschichte der beiden Heiligen erzählen. „Pinnosa hat – sehr ungewöhnlich für die damalige Zeit – gemeinsam mit anderen Frauen eine lange Wallfahrt unternommen“, berichtet Hülscher. Ähnlich wie die bekanntere Heilige Ursula soll sie mit ihren Begleiterinnen schließlich in Köln von den Hunnen ermordet worden sein.
So dramatisch die Geschichten vieler starker Frauen des Mittelalters sind – um im Essener Frauenstift oder auch in der damaligen Abtei Werden verehrt zu werden, brauchte es meist auch noch etwas Materielles: Reliquien. So gab es auch im Essener Stift Reliquien von Pinnosa und Walburga – und das Werdener Benediktinerkloster erhielt Teile der Gebeine der Heiligen Ida – sie ist auch in einem Fenster der Dionysiuskirche in Borbeck zu sehen -, nachdem sich die Mönche zuvor intensiv für eine Heiligsprechung der als Friedensstifterin zwischen verfeindeten Stämmen in Westfalen bekannt gewordenen Adeligen eingesetzt hatten.
Siri Meder, Geschäftsführerin der Ludgerus-Schatzkammer in Werden, gibt zu, dass das Thema heilige Frauen mit Blick auf die Geschichte der Benediktinerabtei „nicht so sehr auf der Hand lag, wie in der Domschatzkammer“. Umso erstaunlicher seien jedoch nun die Resultate. So hätten die Mönche nicht nur die Heilige Ida verehrt, sondern zum Beispiel den Heiligen Benedikt – Begründer der europäischen Klostertradition – gerne mit einem Bild seiner Schwester, der Heiligen Scholastika flankiert. „Sowohl im Frauenstift als auch in der Werdener Abtei entstand die Verehrung durch persönliche Verbindungen und Kontakte“, betont Dompropst Thomas Zander. „Die Frauen kamen aus allen Teilen des Reiches in den Stift und brachten ihre Familien-Traditionen mit.“ Und auch zwischen dem mächtigen Frauenstift und der nur wenige Kilometer entfernten Abtei in Werden werde es einen engen Austausch gegeben haben – etwa auch von Reliquien, so Zander.
In der Ausstellung „gibt es viel zu lesen“, sagt Wegener angesichts der zahlreichen Texttafeln. Erleichterung gibt es für Besucherinnen und Besucher durch das Faltblatt „Wissen to go“, mit dem jeweils im Ausstellungstext markierte Fachbegriffe erläutert werden. „Und wer nicht so viel lesen mag, kann eine Führung buchen“, wirbt Rainer Teuber, Leiter des Besucherservices in der Domschatzkammer. Jeweils samstags gibt’s eine offene Führung, außerdem vier Rundgänge mit den Kuratorinnen – und die Möglichkeit, private Führungen zu buchen.
Flankiert wird die Ausstellung durch eine Kooperation mit dem Astra-Kino in der Essener Innenstadt: Alle zwei Wochen stehen dort in den kommenden Monaten jeweils sonntags und dienstags Filme mit starken Frauen auf dem Programm. Den Auftakt macht am Sonntag, 5., und Dienstag, 7. September, „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ mit Frances McDormand. Wer eine Karte für einen Film dieser Reihe hat, kann damit auch kostenlos die Ausstellung besuchen. „Man kann sicher fragen, was die Hauptfiguren der ausgewählten Filme mit den heiligen Frauen in unserer Ausstellung verbindet, die vor Jahrhunderten gelebt haben“, sagt Teuber. „Aber letztlich geht es immer um Frauen, die nicht den jeweils geltenden Rollen-Klischees entsprochen haben – eben um starke Frauen.“ (tr)
Info zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen: Die Ausstellung „MUTIG | HEILIG | SELBSTBEWUSST“ ist im Essener Domschatz dienstags bis sonntags von 11 bis 17 Uhr und in der Schatzkammer Werden dienstags bis sonntags von 10 bis 12 und von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt in die Domschatzkammer kostet 4, ermäßigt 3 Euro. Der Eintritt in Werden kostet 3, ermäßigt 2 Euro. Das Kombiticket für beide Ausstellungen kostet 5 Euro. Bis 18 Jahre ist der Eintritt frei. In beiden Schatzkammern gelten die „3G“-Regeln. Weil sich viele Menschen über ihren Namen mit einer oder einem Heiligen verbunden fühlen, haben Frauen an ihrem Namenstag freien Eintritt.
Fotos: Das Kuratorenteam freut sich auf die Ausstellung, © Domschatz Essen