Borbecker Maienmahlzeit – Der andere „Heimatabend“

09.05.2018

Fast 130 Besucher der diesjährigen Maienmahlzeit kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als die glockenhellen Stimmen des fröhlichen Kinderchors im Festsaal der Borbecker Dampfbierbrauerei erklangen. Der beschwingte Maiengruß der 15 Mitglieder der Singeklasse der Bodelschwingh-Schule in Altendorf stellte das Thema von Beginn an in den Mittelpunkt: Heimat – der vieldiskutierte, umstrittene und derzeit überall angesagte Begriff, ist ein Phänomen mit unzähligen Aspekten.


Die Borbecker Maienmahlzeit –

Der andere „Heimatabend“

 

BORBECK. „Ich komme aus Afghanistan, ich bin seit eineinhalb Jahren in Deutschland.“ - „Ich komme aus Syrien und bin zwei Jahre hier“ – „Ich komme aus Afrika ...“. Fast 130 Besucher der diesjährigen Maienmahlzeit kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als die glockenhellen Stimmen des fröhlichen Kinderchors im Festsaal der Borbecker Dampfbierbrauerei erklangen. Der beschwingte Maiengruß der 15 Mitglieder der Singeklasse der Bodelschwingh-Schule in Altendorf stellte das Thema von Beginn an in den Mittelpunkt: Heimat – der vieldiskutierte, umstrittene und derzeit überall angesagte Begriff, ist ein Phänomen mit unzähligen Aspekten.

 

Kultur der Migranten

 

Auch die stolzen Eltern, die mit ihren singenden Kinder aus aller Welt ins Ruhrgebiet kamen, gingen bei den akzentfrei vorgetragenen Liedern kräftig mit. Kindern einer Schule, die 50 Nationen zusammenbringt. Und sie auf eine Heimat vorbereitet, die sehr viel anders ist als ihre Herkunftskultur. Aber was ist eigentlich die Kultur, auf die sie im Ruhrgebiet treffen? Sie war schon immer eine Kultur der Migranten, machte Gastredner Prof. Heinrich Theodor Grütter in seiner Festrede deutlich: Er näherte sich dem Heimatbegriff aus der historischen und kulturellen Perspektive .

 

Orte der Erinnerung

 

Vor allem die gemeinsame Arbeit habe das Miteinander in dem von der Schwerindustrie geprägten Raum bestimmt, so Grütter. Noch heute sei dies in den letzten baulichen Zeugen einer vergangenen Zeit in Spuren sichtbar. Wenn jedoch in diesem Jahr der offizielle Abschluss einer Ära begangen werde – der Abschied von der Kohle fällt 2018 mit der Schließung der letzten Zeche Prosper-Haniel in Bottrop zusammen – werde zugleich deutlich: Die in den letzten 150 Jahren zusammengewürfelte Millionen-Bevölkerung sei längst in eine andere Zeit hineingewachsen. Neue Universitäten, neu geordnete Infrastruktur und der Übergang zur Dienstleistungs-Gesellschaft markierten den Übergang des alten „Reviers“ in einen neuen Begriff vom Ruhrgebiet. Und damit in eine „Heimat“ und Region, die in vielfältiger Weise nostalgisch-sentimental, aber durchaus auch ernsthaft und identitätsstiftend an vergangene Traditionen anknüpfe. Zu sehen ist dies nicht zuletzt im „Ruhr-Museum“ auf Zollverein, der einst größten Zeche der Welt. Als Gedächtnis der ehemals größten Industrieregion des Kontinents zeigt sie diesen Wandel in einzigartiger Weise.

 

Nur der RWE ...

 

Dass das Herz der Menschen in der Region an vielen Dingen hängt, ist klar. Nicht zuletzt aber am Fußball: Das zeigte Georg Schrepper mit einem tiefen Blick in die Geschichte des lokalen Kicker-Herzschrittmachers. Dass die von anderen oft geschmähte „Fahrstuhlmannschaft“ Rot-Weiss Essen die treuesten aller Fans hat, weiß jeder. Und das seit 1906 - in jeder Liga. Ein Verein, der in Borbeck entstand und die einzige Westkurve hat, die im Osten liegt. Die kenntnisreiche und vergnügliche Zeitreise des Lehrers am Don Bosco-Gymnasium, der mit seinen musikalischen Mitstreitern auch kräftig in die Saiten griff, nötigte auch aktuellen blau-weißen Vizemeistern großen Respekt ab. Kommt eben drauf an, auf welcher Seite vom Kanal das Fußballherz mitfiebert. Womit man wieder beim Begriff Heimat angelangt ist: Er lässt sich nicht festlegen – und allein geographisch schon mal gar nicht. Die 32. Borbecker Maienmahlzeit, in bewährter Weise von Franz Josef Gründges moderiert, machte dies als „der andere Heimatabend“ wieder einmal deutlich.

 

Ehrenpreis „Hand in Hand“

 

Dass für das gute Für- und Miteinander viele ihren Beitrag leisten, ist in Borbeck, dem durch seine sozialen Netze besonders geprägten größte Essener Stadtteil, mehr als bekannt. Diesmal galt es eine Initiative zu ehren, die 1967 rund um den Kirchturm der heute abgerissenen Herz-Jesu-Kirche entstanden war. Der dortige Handarbeitskreis brachte seit seiner Gründung mehr als eine Viertelmillion Euro zusammen – ausschließlich für den guten Zweck. Dafür erhielten die tüchtigen und engagierten Damen nicht nur großen Applaus, sondern auch den diesjährigen Preis „Hand in Hand“.

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