Tangabucht

„Ein Pfarramt in der Tangabucht“. Der bekannte Kolumnist Axel Hacke nutzte diese plakative Schlagzeile für seine Kolumne über die lustigsten Straßennamen in Deutschland (Süddeutsche Zeitung v. 31.05.2018) und positionierte die Tangabucht im fortlaufenden Text direkt neben die Straße „Zum Slip“ in Nordenham. In der Tat: Wer „Tanga“ hört oder liest und dann auch noch die Südseestraße in der Nähe weiß, der läuft Gefahr, sich frohen Mutes und hochgestimmt in ferne Urlaubsparadiese zu verlieren.

Doch Vorsicht ist geboten. Unsere Gerscheder Tangabucht hat mit jenem minimalistischen Stück Stoff, das mehr offen legt als etwas zu verbergen, nichts gemein. Sie verweist, wie andere Straßen um sie herum, auf die deutsche Kolonialgeschichte.

Tanga ist die nördlichste und zweitgrößte Hafenstadt von Tansania an der Küste Ostafrikas. Sie liegt am Indischen Ozean nördlich von Sansibar an einer tiefen Meeresbucht und hat etwas mehr als 220.00 Einwohner. Von 1888 bis 1916 war Tanga ein Teil Deutsch-Ostafrikas (heute Tansania). Das kleine Fischerdorf des 18. Jahrhunderts wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts zur Zeit des Sultans von Sansibar zum End- und Ausgangspunkt einer Karawanenroute und zum Umschlagplatz für Elfenbein und Sklaven. Durch die Anbindung an eine wichtige Bahnlinie in die Kilimandscharo-Region im Jahre 1871 erlebte die Stadt einen wirtschaftlichen Aufstieg.

1886 kam es zur Gründung der Deutsch-Ostafrikanischen Missionsgesellschaft. Der 1888 in Köln gegründete „Afrikaverein deutscher Katholiken“ stellte für die deutschen Ordensgesellschaften die Verbindung zu den Kolonialbehörden in Berlin her. Um 1890 wurde eine Missionsstation in Tanga errichtet. Im Zuge der deutschen Kolonialpolitik geriet die Stadt in das Blickfeld der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft (DOAG). Im April 1891 richtete die DOAG in Tanga ein Bezirksamt ein, in dem sich heute das „Tanga-Museum“ befindet,  und veränderte bzw. zerstörte durch städtebauliche Maßnahmen das ursprüngliche Gesicht der Stadt und der umliegenden Dörfer völlig. Schachbrettartig angelegte Straßen und Häuser aus Stein prägten das Stadtbild. In der Stadt gab es getrennte Wohnquartiere für Europäer und für die einheimische Bevölkerung.  

Es hat immer wieder Aufstände der einheimischen Bevölkerung gegen die Besetzung des Landes gegeben. Dazu gehört der Maji-Maji-Aufstand von 1905-1907 mit vielen Toten. Die Rolle der christlichen Missionen in den deutschen Kolonien war ambivalent. Im Konflikt zwischen missionarischen und kolonialen Interessen gingen die deutschen Missionsgesellschaften fragwürdige Bündnisse mit der deutschen Reichsregierung ein. Die Missionen brauchten den starken, auch militärischen Arm des Staates, der Kolonialstaat wiederum profitierte von den Wirkungen der Kulturmission im Bereich von medizinischer Versorgung, schulischer Bildung und Sozialisierung. Dabei nahmen beide Seiten die Zerstörung der kulturellen und sozialen Strukturen in der indigenen Bevölkerung billigend in Kauf.  

1912 wurde in Tanga die „Deutsche Schule“ gegründet. 1913 gab es in Tanga vier Gasthäuser, lange Zeit stand hier mit dem Hotel Kaiserhof das einzige Hotel Ostafrikas (Werbung damals: „Saubere moskitofreie Zimmer. Schöne Lage mit Aussicht über den Hafen“). 1914 erhielt Tanga das Stadtrecht und ein eigenes Stadtwappen. 1916 wurde die Stadt dem britischen „Tanganyika Territory“ zugeschlagen.

Im November 1914 fand hier die sogenannte „Schlacht bei Tanga“ statt, in der eine deutsche Schutztruppe unter Paul von Lettow-Vorbeck den Landungsversuch einer britisch-indischen Einheit zurückschlug.

Zur Erinnerung an diese Schlacht wurden in mehreren deutschen Städten Straßen nach der Stadt Tanga benannt: In Berlin-Wedding (1927), in München-Trudering (1933), in Köln-Nippes (1935), in Oldenburg (1936), in Hamburg (1937, 1947 umbenannt), in Gelsenkirchen-Bismarck (1939) und eben auch in Essen-Gerschede (1939).     

Seit 1963 ist Eckernförde Patenstadt von Tanga. Eine Straße in Tanga trägt den Namen „Eckernförde Avenue“, eine private Universität heißt „Eckernforde Tanga University Institute of Health Sciences“.

Der Name Karl Peters ist zu Recht aus der Straßengeschichte Gerschedes verschwunden. Dafür gibt es heute die Bischof-Franz-Wolf-Straße. Es ist gewiss eine Überlegung wert, einen weiteren Bischof – zumal in der Nähe der Paulus-Kirche - namentlich zu installieren: Den aus Essen stammenden Oblaten-Bischof Rudolf Koppmann, der von 1939 bis 1983 als zunächst als einfacher Volksmissionar, später als Bischof und Apostolischer Nuntius von Winkhuk gegen die Apartheid und für die „Entkolonialisierung der Herzen“ gekämpft hat. (FJG)

Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Tanga
http://www.eckernfoerde.de/Die-Stadt/Präsentation/Partnerstädte
http://de.wikipedia.org/wiki/Tanga_Tansania
http://www.leipzig-postkolonial.de/htmls/02_thms/02_10-missionierung

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