St. Fronleichnam

Am 8. September 2019 beging man in Bochold den Höhepunkt eines ganzen Jubiläumsjahres: Bischof Dr. Franz Josef Overbeck feierte die Festmesse zum 100-jährigen Bestehen der St.Fronleichnams-Kirche - fast auf den Tag mit der Einweihung der ersten Kirche vor 100 Jahren.

„Wo die hohen Schlote rauchen“

Beim feierlichen Festakt am 7. September 1919 erklang ein eigens gedichtetes Lied, das mit vier Strophen auf die Melodie des Deutschlandliedes gesungen wurde. „Wo die hohen Schlote rauchen, wo rings glüht der Essen Brand“, - so begann die deutlich von der Zeit und den örtlichen Lebensverhältnissen geprägte Hymne: „Wo der Bergmann in der Erde, gräbt den schwarzen Diamant. / Wo sich frisch die Hände regen, warm das Blut zum Herzen wallt. / Da ist unser Heimatboden, der uns schaffet Unterhalt.:“, so das Lied, das den „ungebeugten Glauben in schweren Arbeitskämpfen“ besang. „Treu der Kirche, treu dem Glauben, / stark ge´n falschen Lügengeist. / :Das sei unser Bannerzeichen, welches Sieg und Lohn verheißt.:“. Dass es aber überhaupt zum Bau kam, war über Jahre aber mehr als unsicher.

1907: Gründung des Kirchbauvereins

Bereits 12 Jahre vor der Einweihung der ersten Kirche hatte sich mit dem „St.Johannes-Kirchbauverein“ eine Initiative gegründet, der ab 1907 für einen Baufonds sammelte und für den Kirchbau warb. Als 1910 ein Baugrundstück geschenkt wurde, kam das Projekt allerdings unter starken Druck, denn die Schenkung war mit der Bedingung versehen, dass bereits innerhalb von zwei Jahren mit dem Kirchbau begonnen werden müsse. Das Kölner Generalvikariat befürwortete die Initiative und auch die Pfarrgeistlichkeit hatte gute Gründe für sie zu werben: Die St. Dionysius-Kirche war ständig total überfüllt, die Schulkinder hatten von der Peripherie der Pfarre einen langen Weg zum Messbesuch und weitere verfügbare Grundstücke gab es nicht.

Unhaltbare Zustände in Borbeck

„Wir haben in Borbeck 16.000 Seelen und vier Seelsorgegeistliche; das macht auf den Geistlichen 4.000 Seelen“, hieß es im Borbecker Kirchenblatt (KB 1/1911, 38 vom 13.8.), jeder Vikar habe etwa drei bis vier Vereine zu leiten und ohne Beicht- und Kommunionunterricht mindestens 16 Religionsstunden in der Woche. Im Vergleich zur Erzdiözese Köln insgesamt sei das „Verhältnis zwischen der Zahl der Pfarrkinder und der Priester ... anormal“, so der Spendenaufruf: „Auf eine Pfarre kommen also im Durchschnitt 3.250 Seelen (in Borbeck 16.000!). Wir können also auch ruhig sagen: nein, wir haben nicht eine neue Kirche nötig, sondern wenigstens drei. Deshalb ist es nicht etwa nur im Interesse der Bocholder, sondern der ganzen Pfarre, dass vorläufig wenigstens eine neue Kirche gebaut wird.“ Die Seelenzahl wachse von Jahr zu Jahr und betrage sicher 20.000, bis die neue Kirche bezogen werden könne. (KB 1/1911, 50 vom 5.11.). Nicht zuletzt sei die Förderung des Neubaus der Kirche auch ein „Akt der Pietät“ gegen den gerade verstorbenen Pfarrer Tönnissen von St. Dionysius, der das Projekt sehr unterstützt habe. (KB 1/1911), 56 vom 17.12.)

Vielfältige Benefizveranstaltungen, Unterhaltungsabende mit einer Opernsängerin und intensive Hauskollekten, zu denen Kinder mit Sammelbüchsen durch die ganze Pfarrgemeinde St. Dionysius ausschwärmten, wurden nun durch weitere Aufrufe und Leserbriefe angefeuert: „Immer dringender wird der Mahnruf: Bauet eine neue Kirche!“, hieß es, denn die sieben brechend vollen Sonntagsmessen in St. Dionysius erlaubten keine Andacht mehr. Bereits nach der Wandlung müsse aus Zeitnot mit der Kommunion begonnen werden. (KB 1/1911, 58 vom 31.12.)

„Bauet eine neue Kirche!“

Vor Ort nahmen nun die Aktivitäten des Bocholder Bauvereins inzwischen weiter Fahrt auf: Die Jahresberichte verzeichnen zahllose Sitzungen, Kollekten, Vortrags- und Unterhaltungsabende, Verlosungen und einen Verkauf von Kirchenbausteinen für den guten Zweck, ab 1913 probte sogar ein St. Johannes-Kirchenchor - obwohl noch gar keine Kirche zu Verfügung stand. Auch die monatlichen Kollekten an den Kirchentüren von St. Dionysius ließen den Kirchbaufonds auf rund 8.500 Mark steigen, eine Entwicklung, die der seit 1912 für die Pfarrei verantwortliche Pfarrer Joseph Hammels (1868-1944) gleich nach Amtsantritt noch deutlich zu beschleunigen suchte: Er bot dem Kirchenvorstand ein zum Pfarrhaus gehörendes Grundstück an, dessen Erlös den Bau eines Teils der Kirche sicherte.

Erste Pläne stehen

Keine zwei Jahre später standen die Pläne für einen imposanten Neubau mit geschwungenen Giebelfronten und einem weithin sichtbaren Turm mit mächtiger Haube, ein Entwurf des Düsseldorfer Architekten Süldenfuß, der gleich ein Ensemble mit anschließendem Innenhof, Pfarrhaus und Gemeindebauten dazu plante. Kaum war jedoch 1914 der erste Spatenstich für "die einzige Fronleichnamskirche in Westdeutschland“ getan, wurden die ersten Vorarbeiten für den Kirchbau mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges jäh unterbrochen. Der wirtschaftliche Niedergang brachte alle Tätigkeiten zum Erliegen.

Not macht erfinderisch

Doch die Bocholder ließen sich nicht kleinkriegen und die Not machte erfinderisch: 1919 gelang es dem Kirchbauverein und dem Pfarrer an St. Dionysius, Dr. Josef Hammels, bei der Firma Krupp drei Holzbaracken zu erstehen. Aus ihnen bauten sie jetzt eine Notkirche, für die Schenkungen aller Art, auch Kriegsanleihen, dankbar angenommen wurden. Erster Pfarr-Rektor wurde Ernst Schmitz, der bis 1930 amtierte und Anfang August 1919 ging der Bau seiner Vollendung entgegen. Die Pfarre St. Dionysius gab eine Monstranz sowie zwei Ziborien für die neue Kirche ab und am 7. September 1919 wurde die Notkirche mit einem feierlichen Festakt durch den Dechanten und Ehrendomherrn Euskirchen eingeweiht.

Das „Dömchen“ steht

1919 konnte das erste Weihnachtsfest in der neu erbauten Holzkirche gefeiert werden; die Sammlungen und Veranstaltungen für das „Dömchen“ wie der Bau jetzt genannt wurde, gingen weiter. Für große Aufregung sorgte ein Einbruch in der Neujahrsnacht 1920, dem ein Großteil der kirchlichen Ausstattungsgegenstände im Wert von etwa 5.000 Mark zum Opfer fiel. Besonders in der Sakristei war gewütet worden, Messgewänder fanden sich verschmutzt auf dem Boden verstreut. Eine sofort einberufene Versammlung der Rektoratsinsassen, an der 80-90 Männer teilnahmen, beschloss die Anstellung eines Wächters. Dabei erklärten sich sämtliche Anwesenden bereit, die dadurch entstehenden Kosten mit 1 Mark monatlich zu unterstützen. Für jede Straße des Bezirks wurden ein Kassierer und ein Ersatzmann zur Sammlung gewählt und die Wochenendkollekten ergaben fast einen Betrag von 2.000 Mark. (KB 10/1920, 2 vom 11.1.,8)

Ein reges Pfarrleben entsteht

Auch an den Bauplänen hielten sie weiter fest: Bereits bis 1917 hatte der Johannes-Kirchbauverein einschließlich gezeichneter Kriegsanleihen ein Barvermögen über 34.000 Mark und ein Vermögen aus Wertobjekten von etwa 117.000 Mark zusammengebracht. (KB 7/1917, 26 vom 1.7.) Zugleich organisierte sich wie in den Nachbargemeinden ein reges Pfarrleben: Neben dem Bauverein und dem Kirchenchor entstanden verschiedene Pfarrvereine, die caritativen Konferenzen, 1922 die Eucharistische Ehrengarde und die KAB, 1924 wurde man mit dem eigenen DJK-Verein „Schwarz-Weiß Bochold“ auch sportlich aktiv. Dankbar angenommene Hilfe kam jetzt sogar aus Rom: Der päpstliche Legat und spätere Kardinal Gustavo Testa (1886-1969), in den Jahren 1923/24 Apostolischer Visitator in der Region Ruhr und Saar, legte 1925 mit einer Spende von 400 Goldmark den Grundstock für die neue Kirche der Gemeinde. Sie wurde nun 1926 mit ihrem Seelsorgebezirk zur selbständigen Kapellengemeinde mit eigener Vermögensverwaltung erhoben.

Neuer Plan für die Kirche

Dass ein großer Teil der finanziellen Mittel jetzt durch die Inflation gefressen wurden, konnte das Projekt nicht aufhalten. Bald lag ein völlig neuer Kirchenentwurf vor: Autor war der Architekt und Regierungsbaumeister Alfred Ludwig Wahl aus Essen, der auch den Wettbewerb um die Klemens-Maria-Hofbauer-Kirche in Altendorf gewann. Der neue Pfarrer Hubert Bollig, der nach seinem Amtsantritt 1930 zum größten Förderer der Kirche wurde, ließ an der Ecke Wüstenhofer-/Kampstraße sofort ein geschnitztes Holzkreuz aufrichten, um die Gemeinde ständig an die noch zu erbringenden Opfer für den Kirchneubau zu erinnern. Zugleich kümmerte er sich um die weitere Ausstattung der noch bestehende Holzkirche, die nach elf Jahren langsam baufällig wurde: Er besorgte aus der St. Dionysiuskirche die Figur des Hl. Johannes des Täufers, die heute im Eingangsbereich der neuen Kirche beim Taufbecken steht, dazu ein Ölgemälde der Hl. Elisabeth, das der Düsseldorfer Kunstmaler Josef Hansen fertigte und das über dem Eingang zur Krypta hängt.

Spenden fließen reichlich

Trotz der schweren wirtschaftlichen Zeit flossen die Spenden reichlich und endlich konnte der Bau der ersten St.-Fronleichnamskirche im Erzbistum Köln in Angriff genommen werden. Im Jahr des 71. Katholikentages in Essen, am 17. April 1932, nahm der damalige Dechant Johannes Gatzweiler von St. Josef aus Essen-Frintrop den ersten Spatenstich auf dem Gelände des ehemaligen Haskenkotten neben der Notkirche vor. Die Grundsteinlegung fand am 24.Mai 1932 statt, den Bau führte die Firma Josef Graffweg aus.

Festliche Einweihung durch Kölner Weihbischof

Ende des Jahres 1932 kam der Mitinitiator des Projekts selbst zur Kirchweihe: Dr. Josef Hammels, der ehemalige Pfarrer an St. Dionysius, seit 1922 Pfarrer an St. Gereon in Köln, war 1924 von Erzbischof Karl Joseph Schulte zum Bischof geweiht worden. Der Weihbischof, im Vorjahr 1931 auch zum Kölner Domdechanten ernannt, nahm nun am 17. Juni 1932 die festliche Einweihung des außergewöhnlichen Baus mit seinen zwei Türmen vor. Das heute noch stehende Kreuz zur Erinnerung an die Gemeindemissionen fertigte Paul Lohn 1932 aus 200 Jahre alten Eichenbalken des ehemaligen Haskenskotten, im Februar 1933 wurde das Rektorat zur Rektoratspfarre erhoben. Nur wenige Wochen später übernahmen In Deutschland die Nationalsozialisten die Macht und sechs Jahre später begann der Zweite Weltkrieg, in dem das Gotteshaus 1943 erheblich beschädigt wurde.

Bis 1962 folgte nach dem Krieg der schrittweise Wiederaufbau, 1973 und 1992 kamen weitere bauliche Veränderungen. Am 12. Oktober 1995 wurde die Kirche mit ihrem einzigartigen Grundriss und Baukörper als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Essen eingetragen – „aus wissenschaftlichem Interesse“, wie die Eintragung vermerkt. Zugleich ist die St. Fronleichnam-Kirche aber nicht zuletzt ein Zeugnis außergewöhnlicher Hartnäckigkeit der Gläubigen in Bochold und Borbeck, mit dem das Projekt 1907 begonnen und unter vielen Opfern der Gemeindemitglieder erst viele Jahre später vollendet wurde.

Christof Beckmann

Adresse und Kontakt: Katholische Kirchengemeinde St. Fronleichnam, Kampstr. 46, 45355 Essen, Tel. 0201 / 68 47 64, Fax 0201 86 59 544, https://st-fronleichnam.de

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