Koerner, Andreas

Am 9. Mai 2022 ist der Borbecker Historiker, Hobbyfotograf und Aquarellist Andreas Koerner im Alter von 79 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Andreas Koerner kam am 14. Februar 1943 in Hofleben, einem alten Rittergut in der Nähe von Thorn zur Welt.  Sein Vater Dr. Johann Jakob Friedrich Koerner war Jurist und Landwirt, verheiratet mit Annelise Koerner, geb. Koerner, die aus einem entfernten Berliner Familienzweig stammt. Sein Bruder Ernst Frideryk Konrad (*1939) ist ein bekannter Sprachwissenschaftler, dem die Universität Thorn die Ehrendoktorwürde verlieh. Er lebt heute in Berlin.

Für die Flucht aus Westpreußen 1944 vertraute die Mutter ihre beiden Söhne dem Kindermädchen an. Sie selbst verließ Thorn nach ihrer Ausweisung im Oktober 1945. Die Familie wurde in Krefeld ansässig. Dort machte Andreas Koerner das Abitur, studierte in Bonn Bibliothekswesen und fand 1969 eine Anstellung in der Stadtbibliothek Essen. 1984 übernahm er die Leitung der Borbecker Zweigstelle, die er bis zur Pensionierung 2008 innehatte.

Andreas Koerner war Kursleiter der VHS, Gründungsmitglied und langjähriger 2. Vorsitzender des Kultur-Historischen Vereins Borbeck e.V. und Gründungsmitglied der Künstlergruppe „die kurve“ (1991). Als Vertreter des Kultur-Historischen Vereins Borbeck gehörte er der Arbeitsgemeinschaft der Essener Geschichtsinitiativen an. Seit 1993 war er Vorstandsmitglied des Historischen Vereins für Stadt und Stift Essen e.V. und bekleidete von 1999 bis 2015 das Amt des Schriftführers. 2003/2004 übernahm die Aufgabe eines Stolpersteinbeauftragten. In dieser Funktion hat er die erste Stolpersteinverlegung 2004 zur Erinnerung an ehemalige Essener jüdische Bürgerinnen und Bürger begleitet.

Seit dem Jahre 2000 war er Herausgeber und Hauptautor der „Borbecker Beiträge“ des KHV Borbeck, deren erste Ausgabe 1985 erschien. Gemeinsam mit dem Verleger Rainer Henselowsky gab er Jahr für Jahr den „Borbecker Heimatkalender mit Zeichnungen und Aquarellen mit Borbecker Motiven heraus.

Zur Tätigkeit des Bibliothekars, Historikers und Aquarellisten Andreas Koerner gehörten auch lokalgeschichtliche Vorträge und Führungen von Besuchergruppen durch seinen Heimatstadtteil Borbeck. Als Hüter des umfassenden Archivbestands ist ihm der Dachboden der Alten Cuesterey zur zweiten Heimat geworden. 1996 erhielt Andreas Koerner den Rheinlandtaler des Landschaftsverbands Rheinland für seine ehrenamtlichen kulturellen Leistungen.

Nach dem Fall der Mauer besuchte Andreas Koerner 1993 erstmals seine Heimat. Von den Besuchen brachte er Aquarelle mit Stadtansichten von Thorn mit. Er setzte sich einfach an den Straßenrand und hielt mit dem Zeichenstift fest, was ihm unter die Augen kam, seien es historische Straßenzüge, Häuser oder Kirchtürme. Er bevorzugte keine besonderen Motive. Das Unscheinbare war ihm ebenso wichtig wie das Auffallende, Altes und Neues standen für ihn dicht nebeneinander. Der Bezug zum Zeitgeschehen sollte ihn, wie er einmal sagte, davor bewahren, eine ideale Welt zu malen.  Seine Vorliebe für die Malerei hat er wohl von den Vorfahren geerbt. Zu ihnen gehört neben dem Urgroßvater Theodor Eduard Koerner, von 1842 bis 1871 (Ober-) Bürgermeister von Thorn, der Landschaftsmaler und Berliner Orientalist Ernst Carl Eugen Koerner (1846-1927). Vier kleinformative Bilder dieses Vorfahren hat Andreas Koerner im Arbeitszimmer aufgehängt. Auch seine Großmutter Helene hat Aquarelle gemalt. Ihr Skizzenbuch ist über Umwege in den Besitz des Enkels gelangt.

Die Zeichnungen und Aquarelle von Andreas Koerner waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, u.a. in der Ausstellung „Aquarelle vom Kanal“ (2004) im Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg. Diese Aquarelle sind bei Malexkursionen mit dem Fahrrad entlang des Kanals entstanden. Weitere Ausstellungen gab es u.a. im Kloster Emmaus, in der Sparkasse Essen, in der VHS und in der Galerie von Schloss Borbeck. Für die Ausstellung „Bergbau in Borbeck“ in der Alten Cuesterey (2019) entwickelte er das Ausstellungskonzept.    

Andreas Koerner hat nie Aufhebens um seine Person gemacht. Dabei hätte er dazu allen Grund gehabt. Nicht von ungefähr galt er wegen seines unermesslichen Faktenwissens und seiner Akribie und Leidenschaft beim Sammeln und Sichten heimatgeschichtlicher Daten als personifiziertes Borbecker Gedächtnis, so Alexander Kleinschroth nach seinem Besuch 2018 bei Andreas Koerner.

Andreas Koerner war ein liebenswürdiger, hilfsbereiter und kritischer Zeit-und Weggenosse, der seine Meinung stets unmissverständlich und geradeaus zum Ausdruck brachte. Er hat die Stadtteilgeschichtsforschung auf eine breite und solide Grundlage gestellt. Er war im wahren Wortsinn ein gefragter Mann. Seine Erfahrung und sein Wissen werden fehlen. Andreas Koerner hat für seine unermüdliche Tätigkeit einen Satz gefunden, der seinen Tod überdauern wird: „Ich arbeite gegen das Verschwinden.“ Nun ist der Mensch der leisen Töne still von uns gegangen. Auf seinen Wunsch hat er im Naturbegräbniswald Venlo seine letzte Ruhe gefunden.

In den Nachrufen werden die Verdienste von Andreas Koerner ausführlich gewürdigt. Der Historische Verein für Stadt und Stift Essen e.V. spricht davon, dass Andreas Koerner „wie kaum ein anderer mit der Aufarbeitung der Borbecker Geschichte verbunden“ sei. Seine zahlreichen Veröffentlichungen seien „von nachhaltiger Bedeutung“. Gerühmt wird seine Fähigkeit zum geduldigen Zuhören. Michael Heiße (NRZ) findet in seinem Nachruf persönliche Worte des Abschieds: „Lieber Andreas, Du warst mir immer ein geduldiger und versierter Ansprechpartner für alle Dinge, die Borbeck bewegen. Aber vor allem warst Du mir ein geschätzter Freund. Ich werde Dich vermissen.“ (NRZ vom 14. Mai 2022). Im Online-Portal borbeck.de hat Susanne Hölter eine eindrucksvolle Bilanz des Wirkens und Schaffens von Andreas Koerner gezogen. Das Archiv in der Alten Cuesterey war in der Tat seine Welt. Es ist durch ihn zu einem Stück Heimatgeschichte geworden. (FJG)

Veröffentlichungen (eine Auswahl):
Zwei Rundgänge aus der Feder von A. Koerner im Buch „Essen entdecken“ aus dem Jahre 1996.
Zwischen Schloss und Schloten. Die Geschichte Borbecks. Bottrop 1999.
Bildband über Essen-Borbeck in der Reihe Archivbilder. Sutton Verlag GmbH, Erfurt 2002.
Aufsatz über den aus Thorn stammenden Schriftseller Bogumil Goltz (1801-1878). In „Der Westpreuße“, Jahrbuch 2017, Heft 18.
Aufsatz über Theodor Eduard Koerner (1810-1891). In: „Der Westpreuße“, Jahrbuch 2017, Heft 10.
Aufsatz über den Landschaftsmaler Ernst Koerner (1846-1927). In: „Der Westpreuße“, Jahrbuch 2017, Heft 7.
Zahlreiche Artikel in den „Borbecker Beiträgen“ des KHV.
Ideengeber und Mitarbeiter bei der Handy-Rallys – BIPARCOURS, eine Erlebnistour für Schulklassen durch Borbeck-Mitte.

links: Die "Alte Cuesterey" am Weidkamp mit Aussstellungsräumen, Büro und Archiv des Kultur-Historischen Vereins Borbeck e.V., dessen Vorstand Andreas Koerner von Beginn an angehörte. Rechts: Mit Rosen für Passanten beim Start für das Internetportal borbeck.de, für das A. Koerner zahlreiche Texte und Bilder beisteuerte.

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