19.07.2021
VOGELHEIM. High-Noon an der Ecke Kleinstraße/Vogelheimer Straße: Die Pfarrei St. Dionysius lud heute um 12 Uhr mittags an die Stelle, wo die ehemalige Kirche St. Thomas Morus mit ihrem Ziegelmauerwerk, den Kirchenfenstern und dem mächtigen roten Turm kaum noch zu ahnen ist. Wo sich jetzt längst viele schmucke Eigenheime der Deutsche Reihenhaus AG drängen, soll das dort im Winter 2019 verschwundene Gotteshaus aber nicht vergessen werden. Bildhauermeister Stefan Königsfeld setzte heute die letzten Quader für ein Denkmal auf, das St. Thomas Morus im Relief zeigt. Gekrönt sind die Blöcke aus der ehemaligen Krypta mit dem Grundstein, der 1951, genau 70 Jahre zuvor, in das Mauerwerk der Kirche eingesetzt worden war.
Zahlreiche Gemeindemitglieder und Nachbarn erinnerten sich heute an sieben Jahrzehnte aktiven Gemeindelebens, das mit dem legendären Pfarrer Albert Schmidt (1904-1976) seinen Ausgang nahm. Er stammte aus Hecke bei Elkhausen, war das zehnte Kind seiner Eltern, musste unter Tage arbeiten, um mit 21 Jahren sein Abitur in Münstereifel machen zu können. Nach dem Studium in Bonn und Wien wurde er 1931 zum Priester geweiht, kam nach Essen, war Kaplan an St. Lambertus in Rellinghausen, ab 1936 an St. Andreas in Rüttenscheid und ein entschiedener Gegner der Nazis. Als Sanitätsfeldwebel im Baltikum gab er unter Lebensgefahr Verpflegung an Juden und russische Zwangsarbeiter aus. Nach der Entlassung aus französischer Gefangenschaft ging er 1945 erst als Kaplan nach St. Maria Rosenkranz in Essen-Bergeborbeck, wurde aber schnell zum Pfarr-Rektor der Gemeinde St. Thomas Morus in Essen-Bergeborbeck-Vogelheim eingeführt.
Als unermüdlicher, leidenschaftlicher und kreativer „Bauherr“ legte er los, baute aus Trümmern die erste Notkirche und sorgte für den Kirchenneubau, für den 1951 der Grundstein gelegt wurde. Seiner zupackenden Art sei es zu verdanken gewesen, dass sich selbst Kommunisten aktiv am Bau beteiligten, heißt es – ein Ausweis für sein hohes Ansehen und seine große Beliebtheit. Denn seine soziale Ader hatte im kriegsverwüsteten Vogelheim längst für breite Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesorgt: Er organisierte Kinderfreizeiten, aus denen die Ferienstätte „Arche Noah Marienberg“ wachsen sollte, auch ein neuer Kindergarten entstand.
Zum Patron für Kirche und Gemeinde wählte man damals den englischen Staatsmann Thomas Morus (1478-1535). Der unter Heinrich VIII. hingerichtete Lordkanzler war 1935 als Patron der Regierenden und Politiker heiliggesprochen worden. Er sollte nach der NS-Diktatur auch in Vogelheim als Vorbild dienen. Die ihm geweihte neue Backsteinkirche wurde am 3. Mai 1952 benediziert – sie war einfach, aber groß und der Turm wurde zu einem unverwechselbaren, markanten Wahrzeichen des ganzen Viertels. Sie wurde zur Heimat der Thomas Morus-Gemeinde, die sich hier zu den Gottesdiensten traf und sich in fast sieben Jahrzehnten im Schatten des Turms zum Pfarrfest sammelte, aber auch zur Heimat für die Gemeinde der in Essen lebenden kroatischen Katholiken, die in der Kirche ihre meist proppevollen Sonntagsmessen feierten.
Rund um die Kirche selbst organisierte sich ein intensives Gemeindeleben: Weitere Einrichtungen, die auf Initiative von Pfarrer Schmidt entstanden, waren das kroatische Kloster der „Schwestern vom Kinde Jesu“ aus Sarajevo, die hier bis vor kurzem ihren Dienst taten, dazu das „Altenheim“ Haus St. Thomas, der inzwischen geschlossene „Thomashof“ in Vogelheim mit pfarreigener Gastwirtschaft und Kegelbahn, der Jugendhof Vogelheim und der Stöckmannskamp bei Dorsten, ein Feriencamp für Jugendliche. Seit 1961 war Albert Schmidt der erste Pfarrer der neuen Pfarrei, die Stadt Essen zeichnete ihn 1969 mit der Ehrenplakette der Stadt aus. Am 1. Dezember 1970 trat er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand und verbrachte die letzten Lebensjahre in seinem Heimatort Elkhausen im Westerwald. Dort ist er am 8. Februar 1976 gestorben. Am 28. November 1995 wurde in der ALLBAU-Siedlung an der Förderstraße der Albert-Schmidt-Weg nach ihm benannt und mit einem Gedenkstein versehen.
Sie waren schon vor 70 Jahren bei der Grundsteinlegung dabei - ein Kreis schließt sich ....
Was er und seine Nachfolger hier für und mit den Menschen in Vogelheim geleistet haben, soll auch mit dem Denkmal für die von ihm und der Gemeinde gebauten Kirche nicht vergessen sein: Das machten heute Oberbürgermeister Thomas Kufen, Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff, Vertreter des Kirchenvorstands und Pfarrer Benedikt Ogrodowczyk deutlich. Mitglieder der Gemeinden in der Pfarre und Nachbarn freuten sich, dass man nun den Turm wieder „in den Blick nehmen“ kann – und sei es auf dem Denkmal, das zum Nachdenken einladen soll. Der große Hahn vom ehemaligen Kirchturm wird einen eigenen Platz erhalten: Er wird in den kommenden Wochen einen Platz am Albert-Schmidt-Haus bekommen, wenn die Vorbereitungen durch die Nikolaus-Groß-Stiftung abgeschlossen sind.
cb
Quellen:
Franz Josef Gründges: Schmidt, Albert, Pfarrer in Vogelheim, in: Borbeck-Lexikon.
16.7.2021: Eine Stele zum Gedenken - Montag wird der Schlussstein gesetzt. Erinnerung an St. Thomas Morus wird wachgehalten.
Erwin Dickhoff: Essener Köpfe. Essen 2015.
Katholische Kirchengemeinde St. Thomas Morus (Hg.): Albert Schmidt. Sein Leben, sein Werk. Essen 1996.
Iris Müller: Pfarrer half Vogelheim aus den Trümmern. In: NRZ vom 14. Mai 2021.