Rahmannstraße

Die Rahmannstraße zweigt aus Richtung Borbeck hinter dem Reuenberg links von der Donnerstraße ab und führt im Bogen auf den Reuenberg zurück. Die Rahmstraße, wie die Rahmannstraße bis 1915 hieß, hatte zunächst den gleichen Verlauf, unterquerte dann aber die Köln-Minder-Eisenbahn und führte an der heutigen Blitzstraße und Luthestraße bergauf in Richtung Fallstraße (heute: Bergheimersteig). Im Bereich der heutigen Straßen Herskamp und Dachsfeld stand bis 1963 das Gehöft Rahmann, bis es der Kirche St. Hermann Josef Platz machen musste und abgerissen wurde. Die Kirche wurde 1964 eingeweiht, am 1. Oktober 2010 fand der letzte Gottesdienst statt und 2013 wurde das Gebäude niedergelegt.

Der Name Rahmann geht wohl auf „Rodemann“ zurück und steht etymologisch in Verbindung mit Rodung (Urbarmachung). Zur Sicherung ihrer landesherrlichen Grundherrschaft ließen die Fürstäbtissinnen in den Bauerschaften auf Rodungsland Pachthöfe errichten. Möglicherweise war der „Rodemans“, der im Heberegister des Stifts Essen vom Anfang des 15. Jahrhunderts aufgeführt wird, ein abgabepflichtiger Bauer, der in „Delewic“ (Dellwig) einen der darin genannten 27 Unterhöfe des Oberhofs Borbeck bewirtschaftete, von denen fünf in Dellwig lagen. Da sich dieses Heberegister an einer Kette befand und sich teilweise auf ein Verzeichnis der Höfe aus dem Jahre 1332 bezog, wird es oft als „Kettenbuch 1332“ bezeichnet.

Von den Dellwiger Hofgütern, ist bekannt, dass dort Futterwirtschaft betrieben wurde. Das bedeutet, dass die Bauern ihre Ackerböden für den Anbau von Getreide nutzten, gleichzeitig aber auf sogenanntes Bruchland zurückgreifen konnten, das ihnen und anderen Bauern während der Erholungsphasen ihrer Äcker als Futterweide diente. Jeder Aufsitzer (Pächter) hatte dem Stift jährliche Abgaben zu leisten. Deren Art und Höhe richtete sich nach der jeweiligen Wirtschaftsfläche und Ertragslage des Hofes. Der Hof jenes Rodemans, der in späteren Verzeichnissen als Rahmannshove geführt wird, musste laut Kettenbuch folgende Abgaben leisten: 8 Gefäße mit Malz (d.i. mit Wasser zum Keimen gebrachte Gerste), ein halbes Fuder Holz, 1 Huhn und 1 obolus (Geld). Seine Abgaben und die der anderen Unterhöfe wurden am Oberhof Borbeck gesammelt und von dort nach Essen verbracht. Die Abgaben bestanden durchweg aus Naturalien, jedoch zeichnete sich damals schon der Wechsel zur Geldwirtschaft ab.

Lange Zeit waren die Rodemanns oder Rahmanns urkundenmäßig wie vom Erdboden verschwunden. Erst in einem Steuerverzeichnis des Stifts Essen aus dem Jahre 1668, dem sogenannten Landmatrikel, in dem alle Höfe und deren Aufsitzer aufgelistet sind, tauchen sie wieder auf. In diesem Verzeichnis wird ein Rütger Rahmann als Aufsitzer eines rund 26 Morgen großen Hofes aufgeführt. Laut Einwohnerliste des Stifts von 1795 hatte der Halbbauer Rahmann den Hof von einem Everhard Rahmann übernommen, der 1783 zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Gertrud Beckmann verwitwete Rothehäuser mit dem Hof behandigt worden war.

Nach der Auflösung des Stifts Essen zu Anfang des 19. Jahrhunderts führte Johann Heinrich Rahmann, ein Enkel von Everhard Rahmann, die Verhandlungen mit dem preußischen Domänenfiskus über die Ablösung der auf dem Hofe ruhenden fiskalischen Lasten. In dem entsprechenden Vertrag verzichtete Johann Heinrich Rahmann auf die ihm angebotene Erbpacht und erwarb stattdessen den Hof als Eigentum. In einem Nachweis aus dem Jahre 1866, der sogenannten Mutterrolle, wird er weiterhin als Eigentümer des 57 Morgen großen Rahmannhofes geführt. Auf der Karte von Honigmann und Vogelsang aus den Jahren 1803 bis 1806 sind in der Nähe des Rahmannhofes noch die Höfe Herskamp, Hausmann, Hüttmann, Kauke, Terboven, Krandick, Bohnenkamp und Görtz eingetragen, allesamt alte und bekannte Dellwiger Namen.

Aus neuerer Zeit ist über die Rahmannstraße zu berichten, dass dort lange Jahre die Dellwiger Post beheimatet war. Am 1. Mai 1893 war die erste Poststelle in Räumen der Gaststätte Heinrich Sandgathe in der Donnerstraße am Haltepunkt Dellwig der Köln-Mindener-Eisenbahn eingerichtet worden.

1898 zog sie in einen Neubau an der Ecke Donnerstraße/Reuenberg um. Der Bauunternehmer August Gottlieb aus der Grünstraße (heute: Kraienbruch) errichtete dann in der Rahmstraße (heute: Rahmannstraße) ein eigenes Postgebäude. Die Eröffnung der neuen Post fand am 26. September 1907 statt. 1925 erwarb die Post das Gebäude und richtete darin zwei Wohnungen für Postbedienstete ein.

Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Dellwiger an die bis 1954 praktizierte Paketzustellung per Handkarren oder an den Wechsel der Poststelle ins Erdgeschoss eines Neubaus an der Ecke Donnerstraße  / Reuenberg (vgl. 1898!) im Jahre 1978. Das ehrwürdige alte Postgebäude in der Rahmannstraße wurde damals an Privatleute verkauft. Es steht heute immer noch an alter Stelle. (FJG)

Quellen: Ute Küppers-Braun: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen. Essen 2002. – Hans-Werner Götz: Besitz und Grundherrschaft des Frauenstifts Essen im frühen Mittelalter. In: Frauen bauen Europa (= Essener Forschungen zum Frauenstift, Band 9). Essen 2011. – Erwin Dickhoff: Essener Straßen. Essen 2015. – Ludwig W. Wördehoff: Borbeck in seinen Straßennamen. Essen 1987. – Andreas Koerner: Zwischen Schloss und Schloten. Die Geschichte Borbecks. Bottrop 1999. – Andreas Koerner: Geschichte der Post in Dellwig. In: Borbecker Beiträge 1/2012, S. 16-26, 2/2012, S. 52-57, 3/2012, S. 94-100 und 1/2013, S. 4-16.

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