Gepp, Ferdinand

Manche werden sich noch an ihn gut erinnern: Ferdinand Gepp (1920-2013), einen stets freundlichen und lächelnden Mitmenschen von der Borbecker Straße, der auch lange nach seiner Pensionierung noch oft rund um die Kirche St. Dionysius zu sehen war. Denn dort hat er seine bis heute sichtbarsten Spuren in Borbeck hinterlassen: In den Fenstern der St.Dionysiuskirche, für die er maßgeblich das Bildprogramm beeinflusste. Sie waren beim Wiederaufbau des durch Bomben zerstörten Gebäudes nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst nur provisorisch geschlossen worden. Erst in den Jahren von 1984 bis 1988 wurden bis auf die Fenster in der Anbetungskapelle und im Turm alle neu geschaffen, denn Dechant Ludwig Theben „wollte gegen den gleichgültigen Geist der Zeit den Gläubigen das Credo wieder näher bringen“, wie es heißt: Die Fenster sollten nicht nur Schmuckstück sein, sondern als immerwährende Glaubensunterweisung dienen. Verbunden mit den Seligpreisungen aus dem Matthäusevangelium werden im letzten der zehn „Fenster des Glaubensbekenntnisses“ Menschen gezeigt, die ihre „Heimstatt im Himmlischen Jerusalem“ gefunden haben und es sind einige außergewöhnliche Medaillons mit eigentlich untypischen Persönlichkeiten für Borbeck. Nach einem Entwurf von Glasmaler Nikolaus Bette aus Essen-Werden fertigte die Firma Koll aus Bottrop die Fenster und baute sie ein. Es finden sich hier neben den Essener Stadtpatronen Cosmas und Damian, dem Hl. Liudger, dem Hl. Johannes Bosco und Bischof Altfrid von Hildesheim auch die Ordensschwester Franziska Schervier, Kardinal Clemens August von Galen, die Hl. Ida von Herzfeld und der im KZ Dachau zum Priester geweihte Karl Leisner. Sie alle verweisen in ihrem regionalen und spirituellen Bezug auf das Leben von Ferdinand Gepp, der diese Fenster selbst in einer 1992 veröffentlichten Broschüre beschrieben hat.

Katholische Jugend in Münster

Ferdinand Gepp wurde am 2. April 1920 in der Familie des Malermeisters August Gepp und seiner Frau Caroline in Münster geboren und wuchs mit seinen drei Brüdern und einer Schwester auf. Sein ältester Bruder Heinrich war ab 1929 als Franziskaner in Brasilien tätig und auch Ferdinand war schon früh durch die franziskanische Idee nachhaltig geprägt. Bis 1940 arbeitete er als Baustoffkaufmann und trat während der Ausbildung dem KKV (Katholischer kaufmännischer Verein) bei, dem er bis zum Lebensende angehören sollte. Sehr bewusst erlebte er in dieser Zeit das NS-Regime, das die von ihm geliebte katholische Jugendarbeit vernichtete. Als im Juli und August 1941 der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen, in der Münsteraner Lambertikirche und in der Überwasserkirche seine drei berühmt gewordenen Predigten gegen den Allmachtsanspruch und den Terror der Nationalsozialisten hielt, gehörte Ferdinand Gepp zu denen, die diese Predigten heimlich vervielfältigten und verteilten. Gleichwohl wurde er eingezogen, war an der Ostfront, verlor als Soldat in Russland ein Auge und kam zurück in die Heimat - dies rettete sein Leben.

Wechsel ins neue Bistum Essen

Nach dem Kriegsende entschied er sich für die Arbeit im Aufbau der Jugendarbeit in der Diözese Münster auf der Jugendburg Gemen, wo er auch seine Frau Annelise Gusy kennenlernte. Er leitete ein Wohnheim für Bergwerkslehrlinge in Bottrop und die Familie wuchs mit fünf Kindern, als er 1960 zum neugegründeten Bistum Essen wechselte. Für 25 Jahre war Ferdinand Gepp dort in der Erwachsenenbildung als Dozent am Institut für Soziale Bildung in Wattenscheid-Höntrop und als Leiter der Pilgerstelle tätig, unternahm viele Reisen nach Lourdes und Rom.

Arbeit für die Katholische Friedensbewegung Pax Christi

Was ihn vor allem aber prägte, war seine Arbeit für die Katholische Friedensbewegung Pax Christi, die deutsch-französische Aussöhnung und das Partnerbistum Auxerre. Schon nach dem Ende des Krieges war Ferdinand Gepp am 3. April 1948 bei der Gründung der deutschen Sektion von Pax Christi in Kevelaer dabei und nahm an der 1. Wallfahrt nach Lourdes teil. Zu diesem sogenannten „Kreuzzug der Versöhnung zwischen Franzosen und Deutschen" hatten 40 französische Bischöfe eingeladen, angeführt von Bischof Pierre-Marie Théas (1894-1977), von 1945 bis 1977 Bischof von Lourdes, der schon während des Krieges gegen das von Deutschen verübte Massaker von Oradur protestierte und zusammen mit Marthe Dortel-Claudot als Gründer der „Internationalen Pax Christi-Bewegung“ gilt. „Ich bringe euch den Bruderkuss des katholischen Frankreich, der Verzeihung gewährt und sucht“, erklärte Bischof Théas bei der Messe mit 20.000 Menschen in Kevelaer. Franzosen, Niederländer und Belgier, von denen viele unter der deutschen Besatzung gelitten hatten, beteten und diskutierten hier nächtelang, wie nach dem verheerenden Krieg ein gemeinsamer Neuanfang möglich sein konnte. Am 1. April 1948 wurde in Kevelaer die Deutsche Sektion von Pax Christi, gegründet – Ferdinand Gepp war dabei. Auch 1949, als es ein weiteres großes internationales Treffen in Lourdes gab, zu dem aus Deutschland zwei Sonderzüge anreisten. Im „Heiligen Jahr“ 1950 wurde das Aachener Friedenskreuz bis nach Rom getragen.

Als 1958 das Bistum Essen neu entstand, richtete der erste Bischof Franz Hengsbach eine Pax Christi-Bewegung ein. Ferdinand Gepp übernahm die Leitung der Diözesanstelle. Der damalige Diözesanleiter der Katholischen Jugend und spätere Bürgermeister Hans Sobeck wurde 1. Vorsitzender, der Bischöfliche Offizial Bernhard Mäkel übernahm den Geistlichen Beirat. Ferdinand Gepp blieb stets ein unermüdlich Werbender für die Arbeit und Anliegen der Bewegung, betonte Alfred Keienburg, Mitglied im Leitungsteam und Sprecher der Pax Christi-Bistumsstelle Essen nach dem Tod von Ferdi Gepp in der Dankmesse am 20. März 2013 in der Pfarrkirche St. Dionysius in Essen-Borbeck: „Er war beseelt vom Beten und Arbeiten für den Frieden.“ Zahlreiche Mitglieder traten in den Anfangsjahren der Vereinigung bei, Gebets- und Aktionsgruppe gründeten sich, erinnerte sich Keienburg an das „Urgestein der Pax-Christi-Bewegung", wie er sagte: „Ferdinand Gepp hat aber auch die dürren Zeiten des Kalten Krieges durchstehen müssen und musste gegenüber dem Militärbischof Franz Hengsbach die Fahne von pax christi in den Wind halten“.

Aufbauarbeit im Bistum Essen

Aktiv für den Frieden arbeiten – diese Arbeit zog nun im Bistum weite Kreise: Auf vielen Fahrten brachte Gepp den Mitpilgernden die Ursprünge der Pax Christi-Bewegung nahe. Sie besuchten nicht nur Lourdes, sondern auf den Hin- oder Rückreisen auch Vezelay, das 1947 Ziel der ersten Pax Christi-Route gewesen war und Chartres, wo der aus Arnsberg-Neheim stammende Priester Franz Stock von 1945-1947 das „Stacheldraht-Seminar“ für angehende Priester unter deutschen Kriegsgefangenen geleitet hatte. Andere Pilgerreisen führten nach Rom und Ferdinand Gepp machte jedes Mal jedes Mal Station in Assisi, der Heimat des Hl. Franziskus. In Essen-Bergerhausen entstand damals durch Pfarrer Dr. Karl Johannes Heyer, Mitglied der ersten Stunde, die Pax-Christi-Kirche, in der nach den Ermordeten von Oradour und Lidice viele weitere Namen von Gewaltopfern verewigt wurden. 1964 waren Vertreter von Pax Christi zum ersten Mal bei einer Bußwallfahrt in Auschwitz auf, Gesprächskreise, Wallfahrten, Gebetsgruppen, Internationale Routen, Kongresse, Aktionen, Denkschriften und andere Veröffentlichungen machten auf die Arbeit von Pax Christi aufmerksam. Jährlich fanden für jeweils bis zu drei Tagen zwei Treffen mit Ferdinand Gepp als Dozent und Zeitzeugen im Institut für Soziale Bildung (ISB) in Wattenscheid-Höntrop statt. Der Referent, Kapuzinerpater P. Manfred Hörhammer (1905–1985), war stets Anfang des Jahres für eine Woche bei Familie Gepp zu Gast.

Neue Schwerpunkte in der Pax Christi-Arbeit

Neben die Erinnerung an die Zeit der NS-Diktatur und die Versöhnungsarbeit traten bald neue Schwerpunkte der katholischen Friedensbewegung: Neue Themen waren die Lage in den so genannten Entwicklungsländern, die Arbeit für das neu gegründete Werk MISEREOR in Aachen, die Situation im Nahen Osten und die Gründung des Maximilian-Kolbe-Werks. Ab den 1960er Jahren wurden Mitglieder von Pax Christi im Bistum Essen aktiv in Eine Welt-Initiativen, organisierten Reisen nach Israel/Palästina und bauten Partnerschaften mit Gemeinden und Gruppen in Polen auf. Im Zuge der Nachrüstungsdebatte waren so neue Felder inspiriert worden, doch die ursprünglichen Gruppen von Pax Christi im Bistum wurden erst ab Mitte der 1980er Jahre unter Mitwirkung des von Dr. Baldur Hermans vertretenen Sachausschusses für Entwicklung und Frieden im Diözesanrat wieder neu belebt.

Eine neue Generation trat auf, die Christsein und politisches Handeln neu verbinden wollte. Eine erste Pax Christi-Gruppe entstand in Essen-Katernberg, weitere bildeten sich in Bochum, Bottrop, Duisburg, Gelsenkirchen-Buer, Gladbeck, Essen-Mitte und Essen-Haarzopf. Die Mitgliederzahl stieg auf 283. Bischof Franz Hengsbach ernannte den Bottroper Berufsschulpfarrer Alfred Heiermann zum Geistlichen Beirat und im Mai 1984 lud Ferdinand Gepp als Leiter der Diözesanstelle alle Mitglieder und Interessierte in den Saal der Gaststätte „Alt-Essen“. Ab der ersten Diözesanversammlung am 11. November wurde die Arbeit des neuen Vorstandes unter Vorsitz von Bernard Haller stark politisch geprägt: Dazu zählten die Beteiligung am Ostermarsch, Schulungen zum Thema „Rüstungsexport“ in der Wolfsburg, Diskussionsforen zu Atomwaffen und Teilnahme an Großdemonstrationen der Friedensbewegung im Hunsrück. Ab 1986 übernahm bei der Diözesanversammlung Berthold Jäger den Vorsitz. Öffentliche Aktionen gegen die Apartheid und die Verstrickung von Banken sorgten für große mediale Wirkung, Fernsehen und die Sendung „Hallo Ü-Wagen“ mit Carmen Thomas berichteten über Proteste gegen Rüstungsexporte. 1988 setzte Bischof Hengsbach in der Mülheimer Wolfsburg eine Tagung über den Dienst als Christ in der Bundeswehr an – die innerkirchliche Diskussion wurde zunehmend schwierig.

Ferdinand Gepp, das älteste Essener pax christi-Mitglied und erster Sprecher, hat diese Jahrzehnte aktiv begleitet – auch nach seiner Pensionierung. Am 10.5.2006 starb nach langem schwerem Leiden seine Frau Anneliese. Er selbst begeisterte weiter viele Menschen für die christliche Symbolik in der Kunst, die Vielfalt von Krippendarstellungen, lud zu Kirchenführungen und war weiter aktives Mitglied im Internationaler Karl-Leisner-Kreis e.V. Kleve (IKLK), da er Karl Leisner zeitlebens sehr verehrte. In der Erläuterung des Kirchenfensters von St. Dionysius verweist er selbst dazu auf die Seligpreisung: „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,10). Ferdinand Gepps ehrenamtliche Arbeit wurde 2009 mit dem päpstlichen Orden Benemerenti gewürdigt. Vier Jahre später, am 8. März 2013, starb er im Alter von 92 Jahren in Köln.

Als Pax Christi Deutschland am 3. April 2008 den 60. Jahrestag der Gründung in Kevelaer mit einem Festgottesdienst in der Basilika feierte, hatte Ferdinand Gepp aufgrund einer Erkrankung nicht daran teilnehmen können: „Insbesondere wir „Jüngeren" haben es damals sehr bedauert, unser ältestes Mitglied dort als Ehrengast nicht erleben zu können“, erinnerte sich Alfred Keienburg nach dem Tod des immer freundlichen Mannes: „Pax christi im Bistum Essen ist dankbar, für Ferdinand Gepp, für seine Aufbauarbeit, für sein Engagement, für seine Fähigkeit, Menschen zu begeistern und beständig neue Wege des Friedens zu gehen. Die Erinnerung an ihn wird uns anspornen, weiter für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung einzutreten.“ (CB)

Quellen:

Alfred Keienburg: „Wir trauern um Ferdinand Gepp“, Worte zum Abschied von Ferdinand Gepp in der Dankmesse am 20. März 2013 in der Pfarrkirche St. Dyonisius in Essen-Borbeck, Alfred Keienburg, Sprecher der der Pax Christi Bistumsstelle Essen“, in: Die Taube, 1/2013, 15-16

Christof Beckmann: „Karl Leisner in Borbecker Kirchenfenster. St. Dionysius erinnert an Nazi-Opfer“, https://www.borbeck.de/nachrichten-details/karl-leisner-in-borbecker-kirchenfenster.html

Christof Beckmann: „Vor 75 Jahren: Priesterweihe im KZ. Kirchenfenster in St. Dionysius erinnert an Karl Leisner, https://www.borbeck.de/nachrichten-details/vor-75-jahren-priesterweihe-im-kz.html

Essen: Karl Leisner im Kirchenfenster von St. Dionysius im Stadtteil Borbeck, in: Rundbrief des IKLK Nr. 26, S. 9., https://www.karl-leisner.de/essen-karl-leisner-im-kirchenfenster-von-st-dionysius-im-stadtteil-borbeck/,

Ferdinand Gepp: Kirchenfenster in St. Dionysius, Essen 1992

Inge de Caerlé: „Meine ersten Jahre in pax christi - Nachkriegszeit und 50er-Jahre“, in: Pax Christi, Rundbrief der Bistumsstelle Essen, DIE TAUBE, 1/2008, 12-16.

Karl Leisner im Kirchenfenster von St. Dionysius in Essen-Borbeck“, in: Rundbrief des IKLK Nr. 55, August 2009, S. 29

Kirchenfenster in St. Dionysius (Text: Ferdinand Gepp), Essen 1992

Reinhard Schindler: „1983-1989: Bewegte Jahre von pax christi im Bistum. Eine persönliche Erinnerung, in: DIE TAUBE, 1/2006, 19-22

Reinhard Schindler: Die ersten 25 Jahre von pax christi im Bistum Essen (1958-1984), in: DIE TAUBE, 1/2008, 17-19

Reinhard Schindler: Neuanfang von pax christi im Bistum 1983-1986, in: Pax Christi, Rundbrief der Bistumsstelle Essen I / 2008, DIE TAUBE, 1/2008, 19-20

Totenbrief für Ferdinand Gepp, geboren 2. April 1920 in Münster, gestorben 8. März 2013 in Köln

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