Pater Josef Förster ist ein Kind der Eifel. Er kam am 23. Februar 1903 als Sohn des Schuhmachers Johann Mathias Förster und seiner Ehefrau Margaretha Eva, geb. Kirch, in Rohren bei Monschau nahe der belgischen Grenze zur Welt. In dem kleinen Dorf mit nur wenigen hundert Einwohnern wuchs Josef Förster zusammen mit den Brüdern Leo und Peter und den Schwestern Maria, Katharina, Gertrud und Martha auf. Taufe und Erstkommunion empfing Josef Förster in der Ortskirche St. Cornelius. Der Junge wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Ein Ausschnitt aus dem Totenzettel der Mutter – sie starb am 7. Januar 1950 - mag als Beleg dafür dienen:
„Die teure Verstorbene war geboren am 20. Juli 1873 in Rohren. Seit dem 11. Juni 1903 lebte sie in glücklicher Ehe mit Johann Förster. Gott segnete diese Ehe mit sieben Kindern, von denen das jüngste im Alter von sieben Jahren der Mutter vorausging. In allen Lagen und Schicksalsschlägen des Lebens, bis in die Kriegs- und Nachkriegszeiten, war sie ihren Angehörigen und allen, die sie kannten, ein Vorbild unerschütterlichen Gottvertrauens. Dem tiefgläubigen und frommen Mutterherzen war es größtes Glück und schönste Freude, drei ihrer Kinder dem besonderen Dienste Gottes geweiht zu sehen. Am Grab der guten Verstorbenen trauern der Gatte und sechs Kinder.“
Martha, die jüngste Schwester, starb im Alter von sieben Jahren. Maria, die Älteste, blieb nach ihrer Heirat in Rohren wohnen, Bruder Leo heiratete ebenfalls und verzog nach Aachen. Katharina (Ordensname Sr. Theodosa) lebte viele Jahre in einem Korschenbroicher Kloster, ehe sie in eine Ordensniederlassung in Valkenburg (Niederlande) versetzt wurde, wo sie starb und beerdigt wurde. Gertrud (Ordensname Sr. Maura) ging in ein Kloster in Koblenz, danach lebte sie bis zu ihrem Tod im Kloster Illingen (Saar). Bruder Peter blieb in Rohren wohnen, baute nach dem 2. Weltkrieg das zerstörte Familienhaus der Försters in der Retzstraße wieder auf und wohnte dort mit seiner Familie und den Großeltern. Von 1909 bis 1916 besuchte Josef Förster die Volksschule in Rohren, die heute ein Selbstversorgerhaus für Gruppen ist. Nach Abschluss der Volksschule arbeitete er eine Zeitlang als Forstarbeiter. Weitere Informationen für die Zeit zwischen 1916 und 1925 liegen nicht vor.
1925 fasste er den Entschluss, Priester zu werden. So kam er 1928 an die Spätberufenen-Schule der Salesianer in Essen-Borbeck, die 1923 gegründet worden war. Sein Noviziat absolvierte er vom 28. Juli 1933 bis zum 29. Juli 1934 in Ensdorf (Oberpfalz). Dort legte er am 29. Juli 1934 die zeitlichen Gelübde ab und trat danach in den Orden der Salesianer Don Boscos ein. Die Jahre 1934 bis 1936 verbrachte er in Helenenberg bei Trier. Das obligatorische pädagogische Praktikum leistete er als Kleriker im Knabenheim der Salesianer in Borbeck unter der Leitung von P. Alfred Tebben ab. Nach Abschluss der gymnasialen Studien nahm er 1938 das Studium der Theologie an der Ordensschule in Benediktbeuern auf.
Im Zweiten Weltkrieg war er von 1941 bis 1944 Soldat an der Ostfront, erkrankte an Flecktyphus und lag 1944 mehrere Monate in den Reservelazaretten Sorau (Niederlausitz) und Lissau (nördliches Masuren). In den letzten Monaten des Krieges kam er an der Westfront zum Einsatz. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft setzte er 1946/47 das Theologiestudium fort. Am 09. Februar 1947 wurde er in Benediktbeuern zum Priester geweiht und gleich danach zum Leiter des Knabenheims in Essen-Borbeck bestimmt. Hier konnte er siebzehn Jahre lang segensreich wirken.
Nach der Umwandlung des Knabenheims in ein Haus der Offenen Tür verließ P. Förster im Sommer 1964 das St. Johannesstift in Essen-Borbeck und übernahm die Leitung des 1951 eingerichteten Don-Bosco Lehrlingsheims in Ricklingen bei Hannover, dessen erster Leiter P. Anton Tietz aus Borbeck bis 1957 gewesen war. Der neuen Aufgabe war der vom Krebs gezeichnete P. Förster nicht mehr gewachsen. Schon nach einem Jahr wurde er 1965 als Seelsorger an die Pfarrvikarie Mariä Geburt im Dörfchen Marienhausen im Rheingau versetzt.
Ursprünglich war Marienhausen ein Kloster der Zisterzienserinnen. 1888 ging die gesamte Klosteranlage in den Besitz des Bistums Limburg über. 1889 wurde im ehemaligen Kloster eine Knabenerziehungsanstalt für Kinder und Jugendliche eingerichtet. 1893 wurde aus der Einrichtung ein Heim für geistig behinderte Kinder mit der offiziellen Bezeichnung „Diözesan-Idiotenanstalt zum Hl. Josef in Marienhausen bei Assmannshausen a. Rh“. 1902 kam es zur Aufteilung in die beiden Heime Marienhausen und Sankt Vincenzstift. 1924 übernahmen die Salesianer die Leitung des Heims Marienhausen, das Sankt Vincenzstift wurde selbstständig weitergeführt.
1991 ging die Trägerschaft von den Salesianern an die „Stiftung St. Vincenzstift Aulhausen und Rettungsanstalt zum Hl. Josef“ über. Unter dem neuen Träger konstituierten sich schließlich die „Jugendhilfe Marienhausen“ und das „Sonderpädagogische Zentrum Sankt Vincenzstift Aulhausen“, das seit 2012 als GmbH geführt wird. Beide Einrichtungen liegen auf Aulhausener Gebiet nicht weit voneinander entfernt. Welche seelsorgerische Tätigkeit P. Förster in Aulhausen ausgeübt hat und wo er untergebracht war, ist nicht sicher nachzuweisen. Vermutlich hat er im ehemaligen Kloster gewohnt und in der Ortskirche von Aulhausen St. Petronilla als Pfarrer oder Pfarrvikar seelsorgerische Dienste geleistet. Von einer einzigen Ausnahme abgesehen schweigen die Quellen. Das in lateinischer Sprache verfasste Protokoll über die Einführung eines Pfarrers in Aulhausen am 29. Oktober 1967 hat P. Förster als „Testes“ (Zeuge) eigenhändig unterschrieben.
Pater Josef Förster mit Kindern auf dem Sportplatz
Am 14. November 1968 ist P. Förster im Alter von 65 Jahren gestorben. Er wurde auf dem Friedhof der ehemaligen Klosteranlage Marienhausen beigesetzt. Inzwischen ist der Friedhof längst eingeebnet.
Die Chronisten P. Johannes Wielgoß und Baldur Hermans zeichnen von P. Förster das Bild einer in sich ruhenden Persönlichkeit mit starker Ausstrahlung auf die Menschen in seiner Nähe. „Padder“ Förster, wie ihn nicht nur junge Menschen nannten, war tatsächlich so etwas wie ein „Vater“ für die Kinder und Jugendlichen, die er im Knabenheim der Salesianer in Essen-Borbeck betreute. Der Geradeaus-Mensch aus der Eifel, der Zeit seines Lebens Bodenhaftung behielt, konnte mit seiner offenen, direkten und unkomplizierten Art die Menschen für sich einnehmen. Er war ein Menschenfänger im besten Sinne, ein echter Salesianer, so wie ihn sich Don Bosco stets gewünscht hatte.
P. Förster besaß die Gabe, mit jungen Menschen so ehrlich und glaubwürdig umzugehen, dass sie ihm Vertrauen schenkten. In einer Zeit der materiellen und sozialen Herausforderungen ging er nicht mit erhobenem Zeigefinger umher, sondern ließ sich zuhörend und verständnisvoll gleichsam auf Augenhöhe auf die Sorgen und Nöte der Menschen ein. Er hatte einen klaren Blick für die Alltagswirklichkeit und die schwierigen familiären Verhältnissen, aus denen die Kinder und Jugendlichen stammten. Wie viele Gespräche hat er geführt, hat zugehört, interveniert, geschlichtet und – gehandelt. Ein Mann der Tat, der er verstand, materielle Notlagen unbürokratisch und kreativ zu beheben.
P. Förster schaffte es mit Mut und Zuversicht, das Knabenheim unter den schwierigen Bedingungen der Nachkriegszeit so herzurichten, dass es ein Anziehungspunkt für viele Borbecker Kinder und Jugendliche wurde. Er besorgte Spielgeräte, schaffte Freiräume für junge Menschen, die zwischen Bombentrichtern und Trümmergrundstücken in beengten Wohnverhältnissen lebten. Spiel und Bewegung! - So lautete die pädagogische Leitidee von P. Förster. Dabei war der Bewegungstherapeut selbst auch ständig in Bewegung. In Borbeck war der radelnde Pater in Soutanelle und mit Baskenmütze bekannt wie ein bunter Hund. Freundlich lächelnd und winkend pflegte er beinahe täglich mit dem Fahrrad von Termin zu Termin zu fahren.
Zu seiner Erziehungspraxis gehörte es, den jungen Menschen zu zeigen, wie wichtig das Geben und Nehmen für das soziale Miteinander ist. So führte er schon bald nach der Wiedereröffnung des Knabenheims die sogenannte „Monatskarte“ ein. Für jeden Besuch bei „Padder“ Förster bekam man einen Stempel in der Karte. War die Karte voll, gab es als Gegenleistung für regelmäßige Besuche eine Tafel Schokolade. Geben und Nehmen! Das gleiche Prinzip wandte P. Förster bei einem anderen Ritual an. Das Ende eines jeden Spielnachmittags läutete P. Förster mit einer Handglocke ein. Das war das Signal für die Kinder und Jugendlichen, sich in der Kapelle des St. Johannesstiftes zu einem Gebet und für einen Augenblick der Besinnung zusammenzufinden. Religiöse Unterweisung der ganz anderen Art à la Förster.
„Padder“ Förster war für alle da! Zur sozialen Kompetenz, die in der Erziehungsvorstellung von P. Förster ganz oben stand, gehörten Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, Rücksichtnahme auf andere und christliche Nächstenliebe. Er hatte ein Herz für Kinder, ein Ohr für die Sorgen der Mütter und Trost für die alten und kranken Menschen. P. Förster war der Gegenentwurf zu einem abgehobenen, vergeistigten Priester. Ihm bedeutete die gute Tat mehr als eine ausgeklügelte, theologisch fundierte Predigt. Er trug nicht theologische Gelehrsamkeit vor sich her. Seine Religiosität kam direkt aus dem Herzen und war stets an Mitgefühl und Empathie für die Mitmenschen gebunden. Gäbe es heute mehr solcher „Padder Försters“, wäre es um die Welt besser bestellt. (FJG)
Quellen und Literatur
Ein Dank geht an Reinhold Nägler vom Stadtarchiv Rüdesheim (Aulhausen), Johanna Jansen vom Standesamt der Stadt Monschau, Gabriele Harzheim vom Geschichtsverein des Monschauer Landes e.V. und an Josef Förster aus Rohren, einen Neffen von P. Förster.
Bild unten: Pater Förster mit Boccia-Kugeln und am Aushang (Bilder: Georg Schrepper, St. Johannesstift Borbeck)